18.06.2025
Kassel (lwv): Der Landeswohlfahrtsverband steht vor großen Herausforderungen, insbesondere aufgrund steigender Aufwendungen in der Eingliederungshilfe, großer notwendiger Verfahrensänderungen und einer dramatischen finanziellen Lage in den Trägerkommunen. Die heute in der Verbandsversammlung verabschiedeten Eckwerte berücksichtigen diese Entwicklungen und zielen darauf ab, die Mitgliedskörperschaften trotz der schwierigen Rahmenbedingungen so weit wie möglich zu entlasten. Ausgaben von voraussichtlich 2,719 Milliarden Euro sind in den Eckwerten für den Haushalt 2026 des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) Hessen insgesamt vorgesehen und werden nur durch einen Begleitbeschluss durch den LWV selbst etwas abgemildert. Das bedeutet, dass die Träger des LWV, die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte, im kommenden Jahr planungsgemäß rund 2,169 Milliarden Euro für den LWV aufbringen müssten; 213,13 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr.
Die Aufwandsentwicklung des LWV wird maßgeblich durch die sozialen Leistungsbereiche, insbesondere durch die Eingliederungshilfe, geprägt. Die Eingliederungshilfe bleibt eine kommunale Pflichtaufgabe, die durch das Bundesteilhabegesetz verbindlich vorgegeben ist. Der LWV übernimmt die Verantwortung als Träger der Eingliederungshilfe, um eine gleichwertige Versorgung der Menschen mit Behinderungen in Hessen sicherzustellen. Neben Kosten, die der Landeswohlfahrtsverband selbst nicht beeinflussen kann, wie z. B. Tarifsteigerungen, die wachsende Zahl jener Menschen, die Anspruch auf eine Leistung haben sowie die steigenden Unterstützungsbedarfe, sind es strukturelle Kosten, die auf das Bundesteilhabegesetz, aber auch auf die Hessische Systematik und deren Umsetzung zurückzuführen sind. „Auf einige der genannten Faktoren haben wir keinerlei Einfluss“, so Kämmerer Dieter Schütz, der die Eckwerte heute in die LWV-Verbandsversammlung eingebracht hat. „Darum dürfen wir nicht nachlassen, berechtigte Kostenbeteiligungen von Land und Bund sowie anderen, wie etwa den Pflegekassen, einzufordern. Andere Faktoren wiederum liegen in unseren Händen und den Händen der Vertragspartner im hessischen System. Und ich kann nur an alle appellieren – da ist es unser aller Pflicht zu handeln.“
Der LWV hat im vergangenen Jahr und besonders intensiv in den letzten 4 Monaten begonnen, umfangreiche Maßnahmen zu ergreifen, um den Anstieg der Umlagesätze zu begrenzen und die nachhaltige Stabilisierung und Verlässlichkeit für Leistungserbringer und -berechtigte voranzutreiben. Die Maßstäbe an effizientes Verwaltungshandeln wurden im vergangenen Jahr nochmals erhöht und alle Bereiche wurden angehalten, Einsparpotenziale zu identifizieren und konsequent auszuschöpfen. Dazu gehörten und gehören strukturelle Optimierungen sowie die interne Überprüfung von Prozessen und Standards. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, den Finanzbedarf und die Belastung der Mitgliedskörperschaften nachhaltig zu begrenzen und eine verlässliche Aufgabenwahrnehmung durch den LWV sicherzustellen. Zusätzlich hat der LWV in der Eingliederungshilfe selbst gemeinsam mit den Leistungserbringern eine Vielzahl von Veränderungsmaßnahmen angestoßen, um mögliche Sparpotentiale und Synergieeffekte zu identifizieren und auszuschöpfen.
Mit dem Beschluss der Eckwerte geben die Abgeordneten den finanziellen Rahmen für die Arbeit des LWV im kommenden Jahr vor und den Landkreisen und kreisfreien Städte erste Anhaltspunkte für die Höhe der zu erwartenden Verbandsumlage. Diese steigt seit einigen Jahren kontinuierlich an. Vor allem die Einführung des Bundesteilhabegesetzes sowie die Umsetzung der Leistungs- und Finanzierungssystematik in Hessen mit der Endstufe im Juli 2023 sind hierbei zusätzlich zu anderen Faktoren zu nennen. So stieg der Finanzbedarf beispielsweise zwischen 2020 und 2025 um insgesamt 579 Millionen Euro – alleine in den letzten beiden Jahren um 345 Millionen Euro „Die dramatische Finanzsituation der kommunalen Familie, deren Teil wir als Höherer Kommunalverband sind, verpflichtet uns, gemeinsam auch ungewöhnliche und herausfordernde Lösungen vorzuschlagen, die eine zeitnahe Perspektive für die finanzielle Situation der Landkreise und kreisfreien Städte darstellt“, erläutert LWV-Landesdirektorin Susanne Simmler.
Deshalb haben die Abgeordneten zusätzlich über eine Ergänzungsvorlage zur Eckwerteplanung abgestimmt, welche die Landesdirektorin Simmler in Abstimmung mit dem Kämmerer eingebracht hat. Darin sind Maßnahmen festgeschrieben, mit denen die finanziellen Herausforderungen für die Kommunen in den nächsten Jahren etwas abgemildert werden sollen. Zwei Maßnahmen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Aus der ungebundenen Liquidität des LWV wird ein Gesamtbetrag von 200 Millionen Euro verwendet, um sie die Umlage dämpfend für die Trägerkommunen einzusetzen. Für das Jahr 2026 werden 100 Millionen Euro eingesetzt, die nicht bei den Trägern eingezogen werden und damit faktisch eine Reduzierung bedeuten, weitere 100 Millionen Euro können für die Jahre bis 2028 eingesetzt werden, falls benötigt. „Mit den heute verabschiedeten Eckwerten verfolgen wir weiterhin den seit Februar dieses Jahres gesetzten klaren Kurs auf eine zukunftsfähige Aufstellung des LWV. Angesichts der finanziellen Herausforderungen sind Konsolidierung, Bürokratieabbau und Prozesskritik unvermeidlich, helfen aber auch dabei, den LWV effizienter, schlanker und gleichzeitig leistungsstark für die Menschen in Hessen aufzustellen, um die so wichtigen Leistungen des LWV langfristig zu sichern. Unser Landeswohlfahrtsverband muss seine Ressourcen gezielt für die Menschen in Hessen einsetzen, und das zukunftsfähig und leistungsvoll. Und auch bei den Leistungserbringern gehören die Fachkräfte zu den Menschen und nicht an den Schreibtisch“, so Landesdirektorin Simmler. Die Verbandsversammlung hat die Verwaltung klar in dem Vorhaben gestärkt, die hessische Systematik grundsätzlich dahingehend zu verändern, dass Bürokratie konsequent abgebaut wird, bestehende Standards und Strukturen kritisch zu hinterfragen und in der Konsequenz auch Gelder einzusparen sind.
Zudem wurde die Verbandsspitze des LWV damit beauftragt, das Gespräch mit den Leistungserbringern zu suchen, um über einen Zukunftssicherungsbeitrag zu verhandeln. „Den Leistungserbringern ist die dramatische Finanzsituation des LWV sowie der kommunalen Familie bewusst. Auch die Notwendigkeit, das bisherige System in Hessen so weiter zu entwickeln und zu verändern, dass gute Arbeit für die Menschen geleistet werden kann, ist sowohl uns als auch der Leistungserbringerebene sehr klar. Uns darf es nicht um ein Festhalten gehen, uns muss es um den Menschen gehen, dort müssen die Mittel ankommen und nicht in komplizierten Verfahren. Das eint uns und die Leistungserbringer. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir uns gemeinsam für die nächsten beiden Jahre einigen können. Und dann muss diese Zeit genutzt werden“, sagte Susanne Simmler.
Unterstützung für behinderte und wohnungslose Menschen
Der LWV geht davon aus, dass – wie bereits in der Vergangenheit – im Bereich der Hilfe für Menschen mit Behinderung (Eingliederungshilfe sowie Sozialhilfe) die Zahlen, insbesondere bei den seelisch behinderten Menschen, in 2026 steigen werden: gegenüber dem Haushalt 2025 um einige Hundert neue Leistungsberechtigte auf 64.400. Mit rund 2,260 Milliarden Euro sind rund 83 Prozent der Gesamtausgaben für diese Leistungen der Eingliederungshilfe sowie der Sozialhilfe insgesamt vorgesehen. Das sind rund 152,6 Millionen Euro mehr als im Haushalt für 2025. Neben Unterstützungsleistungen in der eigenen Wohnung und in besonderen Wohnformen sowie in Werkstätten und in sogenannten betriebsintegrierten Beschäftigungsverhältnissen (Mehrkosten gegenüber 2025 voraussichtlich rund 13,4 Millionen Euro) sind hier auch die Leistungen des Blindengelds sowie des Gehörlosen- und Taubblindengelds erfasst.
Förderschulen, Soziale Entschädigung und behinderte Menschen im Beruf
Für seine Förderschulen, Internate und Interdisziplinären Frühberatungsstellen wendet der LWV in 2026 voraussichtlich rund 51,54 Millionen Euro auf. Kriegsopfer und deren Angehörige, Gewaltopfer (die nach dem Gewaltopferentschädigungsgesetz anerkannt sind), Opfer politischer Verfolgung in der DDR, Menschen, die während ihres Kriegs- und Zivildienstes oder durch Impfungen geschädigt wurden, werden von der Hauptfürsorgestelle des LWV mit Leistungen in Höhe von rund 24,26 Millionen Euro berücksichtigt.
Schwerbehinderte Menschen im Beruf und ihre Arbeitgeber unterstützt das LWV Hessen Integrationsamt mit voraussichtlich rund 106,64 Millionen Euro. Diese Leistungen werden getragen durch die Ausgleichsabgabe, die Arbeitgeber mit mehr als zwanzig Beschäftigten bezahlen, wenn sie keine oder zu wenige schwerbehinderte Männer und Frauen (oder diesen gleichgestellten Menschen) beschäftigen. Für die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge für in Werkstätten beschäftigte behinderte Menschen sieht der Haushalt rund 94,15 Millionen Euro vor, die vom Bund erstattet werden.
Die Ausgaben des LWV werden im Wesentlichen durch die Verbandsumlage, durch Kostenerstattungen und Leistungsentgelte sowie 180 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich des Landes Hessen finanziert.