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Gedenken an Euthanasie-Opfer

Sterbliche Überreste dreier Kinder bestattet


Viola Krause, Landesgeschäftsführerin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., und Umbetter Joachim Kozlowski

Viola Krause, Landesgeschäftsführerin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., und Umbetter Joachim Kozlowski bei der Wiedereinbettung der sterblichen Überreste der drei Kinder auf dem Gräberfeld hinter dem Kalmenhof-Krankenhaus. (Foto: Salome Roessler)

16.11.2020 

Kassel/Idstein. Mit einer Gedenkstunde am Volkstrauertag haben der Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen und Vitos der im Kalmenhof ermordeten Kinder und Jugendlichen gedacht. Anlass war die Wiedereinbettung der sterblichen Überreste dreier Kinder aus dem Gräberfeld neben dem Kalmenhof-Krankenhaus. Sie waren bei Sondierungsarbeiten auf dem Gräberfeld im Juli exhumiert und im Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt untersucht worden. Dabei wurde festgestellt, dass es sich um die Gebeine zweier Kleinkinder und einer Jugendlichen handelt, deren Identität aber unbekannt ist.

"Dieses Gräberfeld ist ein Ort der Trauer", sagte Landesdirektorin Susanne Selbert. "Auch 80 Jahre nach der Ermordung von mehr als 700 Kindern und Jugendlichen im Kalmenhof muss der Prozess der Aufarbeitung weitergehen."

Das in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Isolierstation für die Behinderteneinrichtung Kalmenhof erbaute Krankenhaus wurde unter der nationalsozialistischen Diktatur als sogenannte Kinderfachabteilung genutzt – ein Euphemismus für Krankenhausabteilungen, in denen behinderte oder psychisch kranke Kinder im Rahmen des "Euthanasie"-Programms der Nationalsozialisten ermordet wurden. Zum Gedenken an die Opfer der Euthanasiemorde errichtete der Landeswohlfahrtsverband Hessen 1986 hinter dem ehemaligen Krankenhausgebäude eine Gedenkstätte.

Das ehemalige Krankenhausgebäude steht seit einigen Jahren leer. Anlässlich der Auseinandersetzung um die zukünftige Nutzung wurden Historiker mit einem Forschungsprojekt beauftragt, das sich mit der "Erhebung sowie Interpretation der historischen Kerndaten zum Verbrechenskomplex Kalmenhof sowie der vermuteten Gräberfelder auf dem Kalmenhof" befasst. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden Angrabungen auf privaten Grundstücken und auf dem bekannten Gräberfeld unternommen. Auf dem Gräberfeld wurden die Gebeine dreier Kinder mit Zustimmung der zuständigen Behörden exhumiert und im Institut für Rechtsmedizin der Frankfurter Uniklinik näher untersucht.

"Die Geschichte des Kalmenhofs ist Teil unserer Unternehmensgeschichte", sagte Reinhard Belling, Vitos Konzerngeschäftsführer. Er betonte: "Die Vitos Einrichtungen arbeiten heute jeden Tag daran, psychisch kranken und behinderten Menschen die Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen, ihnen einen Platz in der Gesellschaft zu sichern. Die Vergangenheit muss uns Verpflichtung sein, uns immer wieder unserer Werte zu versichern."

Dieser Ort "ist und bleibt ein Mahnzeichen für das, was Menschen Menschen antun können", sagte Jan Erik Schulte, Leiter der LWV-Gedenkstätte Hadamar, in seiner Gedenkrede. "Wir stehen auch hier, um deutlich zu machen, dass wir heute nicht wegsehen wollen, wenn Menschen diffamiert und als nicht gesellschaftlich funktionierend oder als nicht zugehörig ausgegrenzt werden."

Altbürgermeister Gerhard Krum betonte, mit dem jüngsten Forschungsbericht und den Bodenuntersuchungen "wurden endlich die Grundlagen für eine weitreichende Erinnerungskultur in Idstein geschaffen."

Die Grenzen des Gräberfelds sollen weiter in enger Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem Landesamt für Denkmalpflege sondiert werden, das Gräberfeld soll anschließend neu gefasst und gestaltet werden. Bei der Wiedereinbettung waren Vertreterinnen und Vertreter dieser Institutionen und der Kirchen maßgeblich beteiligt.

Die Untersuchungen auf dem und rund um das Gräberfeld sowie ein Forschungsbericht waren von Vitos Rheingau angestoßen worden, von Vitos wurde auch eine Machbarkeitsstudie zur künftigen Nutzung des Krankenhaus-Gebäudes in Auftrag gegeben.


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