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„Gebt ihnen ihre Namen zurück“-

LWV-Gedenkstätte Hadamar stellt erste Ergebnisse des Projektes zur Opferliste und zum Gedenkbuch vor

Über 15.000 behinderte, kranke, schwache und alte Menschen wurden in der ehemaligen Landesheilanstalt Hadamar wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustandes zwischen 1941 und 1945 auf grausame Weise umgebracht. Sie galten dem NS-Regime als „lebensunwert“ und wurden Opfer der NS-„Euthanasie“-Verbrechen. Vernichtet wurde vom NS-Regime nicht nur die physische Existenz der Menschen, auch Namen und Biografien sollten für immer ausgelöscht bleiben. Es sollte sein, als hätten die Menschen nie gelebt. Um das Gedenken jedes einzelnen Opfers der „Euthanasie“-Verbrechen in Hadamar zu ermöglichen, hat die vom LWV getragene Gedenkstätte vor rund zweieinhalb Jahren begonnen, eine umfassende Opferliste zu erstellen, die Grundlage für ein Gedenkbuch des Memorials werden soll. In einer Gedenkveranstaltung wurden im Januar erstmalig Ergebnisse des Projektes vorgestellt.

Anonymes Gedenken nicht ausreichend

„Heute vor 64 Jahren begannen die ‚Euthanasie’-Morde in Hadamar, die erst mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im März 1945 enden sollten. Dazwischen lagen mehr als vier Jahre grausamer Verbrechen gegen wehrlose behinderte, kranke und schwache Menschen“, sagte LWV-Landesdirektor Lutz Bauer in seiner Ansprache. Der LWV habe seit seiner Gründung in 1953 dieser schrecklichen Ereignisse gedacht und in Hadamar und an vielen anderen Plätzen Gedenkorte eingerichtet, darunter die hiesige zentrale Gedenkstätte. In den Anfangsjahren sei dabei, aus dem Zeitgeist heraus, das anonyme, abstrakt gehaltene Bekennen von Verantwortung bevorzugt worden. So würden das Relief im ehemaligen Haupteingang und die Stele auf dem Friedhof nicht verraten, an welche Opfer und welche Verbrechen erinnert werden solle. Heute aber genüge anonymes Gedenken nicht mehr: Angehörige, betroffene Einrichtungen, auch Städte und Gemeinden wollten die Schicksale ihrer ehemaligen Patienten, Bewohner und Mitbürger aufgeklärt sehen. „Mit der Opferliste soll den ermordeten Menschen ihre Würde zurückgegeben werden, und das geplante Opferbuch soll – in symbolischer Form – die letzte Ruhestätte ersetzen, die den meisten dieser Menschen durch ihre Mörder bewusst vorenthalten wurde“, so Bauer weiter.

Doppelte Stigmatisierung

Dr. Georg Lilienthal, Leiter der Gedenkstätte, wies bei der Vorstellung der Ergebnisse des Projektes darauf hin, dass das Gedenken an die „Euthanasie“-Opfer schwerer als bei anderen Opfergruppen in Gang gekommen sei: Zum einen hätten nur wenige Menschen die „Euthanasie“-Aktionen überlebt, zum anderen hätten Überlebende wie auch Familien der Opfer mit dem Stigma der „Geisteskrankheit“ kämpfen müssen: „Die Betroffenen schwiegen, weil sie nicht ein zweites Mal stigmatisiert werden wollten. Oftmals schwiegen auch ihre Familien aus Scham über den vermeintlichen Makel.“ Der „Bund der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten“ sei erst 1986 gegründet worden, zu einem Zeitpunkt, an dem bereits viele Überlebende verstorben waren. Lilienthal zitierte aus einem Schreiben, das die Gedenkstätte erst vor wenigen Tagen erreicht habe: „Wir ließen uns … die Krankenunterlagen … kommen und studierten sie gründlich und gewissenhaft. Das hat uns alle sehr erschüttert, nicht nur die Krankheit, sondern auch das würdelose Ende. Wir haben erst dadurch in das Leben dieses Menschen Einblick erhalten, denn es wurde in unserer Familie stets ausgeklammert. Wir haben erst jetzt bewusst unsere Großmutter in unsere Familie integrieren können.”
Nach den Redebeiträgen verlasen Schülerinnen der Theodor-Heuss-Schule aus Limburg ausgewählte Opfernamen und stellten drei Patientenschicksale vor. (jda)



Veranstaltungen in der Gedenkstätte

Die Gedenkstätte Hadamar ist Dienstag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr, am Freitag von 9 bis 13 Uhr sowie jeden ersten Sonntag im Monat von 11 bis 16 Uhr geöffnet. An diesen Sonntagen findet um 14.30 Uhr eine öffentliche Führung statt. Neben den regulären Öffnungszeiten bietet die Gedenkstätte 2005 eine ganze Reihe von Sonderveranstaltungen an. Vom 22. bis 24. April lädt die Gedenkstätte Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren zu einem Wochenendprojekt ein. Dabei sollen Ereignisse der „Euthanasie“-Verbrechen mit kindgerechten Methoden betrachtet und bewertet werden. Eine Sonderausstellung über Janusz Korczak wird vom 1. April bis zum 20. Mai in der Gedenkstätte zu sehen sein. Mehrere Veranstaltungen knüpfen an diese Sonderausstellung an. Eine Fortbildungsveranstaltung für Lehrer/innen wird am 6. Oktober angeboten. Sie soll sich um Fragen von individuellen Entscheidungen im Alltag des Nationalsozialismus drehen und wird in Zusammenarbeit mit dem Fritz-Bauer-Institut durchgeführt. (jda)

Info: Das gesamte Veranstaltungsprogramm für 2005 finden Interessierte im Internet unter Öffnet externen Link in neuem Fensterwww.gedenkstaette-hadamar.de.

Es kann als Faltblatt angefordert werden bei: Gedenkstätte Hadamar, Mönchberg 8, 65589 Hadamar, Tel.: 0 54 33 / 9 17 – 1 72