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Das Arbeitsleben erleichtern

 

Der Technische Beratungsdienst des Integrationsamtes berät Arbeitgeber und schwerbehinderte Arbeitnehmer, welche technischen Hilfen am Arbeitsplatz und Unterstützungsmöglichkeiten es gibt. Wolfgang Holzki, einer der Ingenieure, ist regelmäßig in Nordund Osthessen unterwegs.

 

KASSEL/FULDA. Es ist 7 Uhr an diesem Mittwochmorgen. Andreas Kathöwer und Wolfgang Holzki steigen in den Dienstwagen. Der Sachbearbeiter und der beratende Ingenieur vom LWV Hessen Integrationsamt fahren Richtung Fulda, um schwerbehinderte Angestellte und deren Arbeitgeber über technische Hilfsmittel und Fördermöglichkeiten zu informieren. Die Fahrt dauert eineinhalb Stunden, meldet das Navigationssystem des Renault- Kombis. Draußen ist es kalt; im Wagen läuft die Heizung. "An einem Tag im Außendienst bearbeiten wir mehrere Termine", sagt Wolfgang Holzki. "Das hängt von der Größe der Landkreise und dem Inhalt der Termine ab." Heute sind fünf Beratungsgespräche geplant.

Um halb 9 Uhr halten Wolfgang Holzki und Andreas Kathöwer auf dem Gelände der Holzbaufirma Gutmann in Hilders. Geschäftsführerin Sabine Gutmann empfängt sie in den Büroräumen der Firma. Das familiengeführte Unternehmen beschäftigt 48 Mitarbeiter, drei davon sind schwerbehindert. Heute geht es um den Arbeitsplatz von Bernd Pfeifer*, der seit einem Monat bei der Firma arbeitet, und um den neuen Einsatzbereich von Frederik Schröder*, der schon seit 2005 bei Gutmann ist. Die Firma hat begleitende Hilfen im Arbeitsleben beantragt. "Das Integrationsamt fördert, was das Arbeitsleben behinderter Menschen erleichtert", erklärt Holzki. Er berät und schreibt Stellungnahmen, auf deren Basis Andreas Kathöwer Zuschüsse bewilligen kann.

Sabine Gutmann schildert ihnen zunächst die Situation von Bernd Pfeifer. Er ist an Krebs erkrankt. "Herr Pfeifer braucht eine Arbeit, die ihn körperlich nicht zu schwer belastet", erklärt die Geschäftsführerin. Bernd Pfeifer ist gelernter Schreiner und war viele Jahre als Monteur von Wintergärten im Einsatz. Bei Gutmann füllt der 58-Jährige Hauswände aus Holz mit ökologischem Dämmmaterial an einer Einblasmaschine. Sabine Gutmann betont, dass es besonderen Fachwissens bedarf, um mit der Maschine zu arbeiten. "Eine Isocellmaschine darf bei uns ausschließlich von einem Schreiner oder Zimmermann bedient werden."

 

GUTE BERATUNG IST DAS A UND O

Kathöwer und Holzki treffen Bernd Pfeifer in der Produktionshalle an seinem Arbeitsplatz. Es riecht angenehm nach Holz. Durch ein großes Tor fällt Tageslicht. Bernd Pfeifer hat Freude an seiner Arbeit. Lächelnd bedient er die Isocellmaschine und erklärt die Arbeitsschritte. Wolfgang Holzki und Andreas Kathöwer hören ihm interessiert zu. Holzki fotografiert den Arbeitsplatz. "Gemeinsam mit Herrn Pfeifer versuche ich herauszufinden, welche belastenden Faktoren es an seinem Arbeitsplatz gibt und welche technischen Hilfsmöglichkeiten wir einsetzen könnten", erläutert Ingenieur Holzki. "Eine gute Beratung ist das A und O für eine gelungene Inklusion." Pfeifer bläst den ökologischen Dämmstoff Zellulose in die Hohlwand. Dazu drückt er einen der Knöpfe und schon senkt sich die Luftturbine. Die Festigkeit der Füllung stellt er an dem Touchpad der Maschine ein. Anschließend schiebt er die Brücke, an der die Maschine befestigt ist, weiter zur nächsten Wand. Es sieht eigentlich ganz leicht aus, doch Wolfgang Holzki erkennt, dass das Verschieben der Brücke über den am Boden liegenden Wänden Pfeifers Rücken beansprucht. "Ein zusätzlicher elektrischer Antrieb würde die Arbeit erleichtern", sagt der Ingenieur zu Bernd Pfeifer und Sabine Gutmann.

"Gestaltungsmöglichkeiten", erläutert Holzki im Weitergehen, "lassen sich nicht am grünen Tisch entwerfen. Das muss vor Ort mit allen Beteiligten geschehen. Nur so lassen sich Vorbehalte abbauen und passgenaue Lösungen finden. Und die müssen von allen angenommen werden. Das schönste Hilfsmittel nutzt nix, wenn es hinterher nicht eingesetzt wird."

 

AUSGLEICHSABGABE

Über die Bewilligung der technischen Hilfsmittel entscheidet Andreas Kathöwer als Sachbearbeiter für den Landkreis Fulda. Finanziert werden berufsfördernde Maßnahmen durch die Ausgleichsabgabe. "Betriebe, die im Jahresdurchschnitt mehr als 20 Menschen beschäftigen, müssen mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten oder Schwerbehinderten gleichgestellten Menschen besetzen", erklärt Kathöwer. Wenn Unternehmen diese Quote nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erfüllen, wird die Ausgleichsabgabe fällig. Auf diese Weise wird ein finanzieller Ausgleich zwischen Arbeitgebern, die Ihre Pflicht erfüllen, und denen, die der Pflicht nicht nachkommen, geschaffen. Die Höhe der Abgabe variiert je nach Jahresdurchschnitt der Beschäftigtenzahl.

Auch der Arbeitsplatz von Frederik Schröder soll behinderungsgerecht ausgestattet werden. Seit 2001 leidet er an Epilepsie. Den ersten Anfall hatte der heute 30-Jährige vor 15 Jahren während seiner Ausbildung zum Zimmermann. Damals wurde ihm zum ersten Mal nahegelegt umzuschulen: Es sei zu gefährlich für ihn, auf einem Gerüst zu arbeiten. Doch Frederik Schröder wollte Handwerker bleiben und schloss die Ausbildung ab. Danach war er ein dreiviertel Jahr ohne Anstellung und erhielt Geld von der Arbeitsagentur. Die finanzierte ihm eine EDV-Fortbildung, die ihm den Zugang zu einem Bürojob ermöglichen sollte. Doch er war unglücklich. "Ich wollte zurück in die Holzbaubranche", sagt er mit fester Stimme.

Die Anstellung bei Gutmann - ein Glücksfall für ihn. Dort bearbeitet er Holzstücke an einer Plattensäge. Nun soll er eine größere und modernere Säge erhalten. "Herr Krüger kann dann komplexere Aufträge wie das Programmieren der Maschine ausführen und so sein Fachwissen erweitern. Er verbessert sein Standing in der Firma. Da der Arbeitsplatz behinderungsgerecht ausgestattet wird, trägt das Integrationsamt Hessen einen Teil der Kosten", erläutert Holzki.

Etwa eine Stunde nehmen sich Holzki und Kathöwer pro Termin. Der zweite findet bei der Schreinerei Schramm in Petersberg statt. Das familiengeführte Unternehmen stellt unter anderem Küchenmöbel her. Schreinermeister Eugen Schramm hat die Leitung der Firma 1983 von seinem Vater übernommen. Seitdem arbeitet Markus Robert* in dem Unternehmen. Vor über 13 Jahren erkrankte der Möbelschreiner an einer chronischen Darmentzündung. "Inzwischen arbeitet Herr Robert ausschließlich in der Werkstatt, weil ihm das leichter fällt. Da er unregelmäßige Arbeitszeiten hat, je nach seiner körperlichen Verfassung, braucht er für seine Aufträge länger", erklärt Eva Schramm aus der Geschäftsführung. Sie lobt ihren Mitarbeiter. "Was er macht, macht er super. Bei ihm sind keine Nacharbeiten notwendig, es gibt keine Reklamationen." Durch einen Bekannten wurde sie auf Unterstützungsangebote für schwerbehinderte Menschen am Arbeitsplatz aufmerksam und erfuhr vom Technischen Beratungsdienst des Integrationsamtes.

 

BELASTUNG SENKEN

Wolfgang Holzki und Andreas Kathöwer treffen auch Markus Robert an seinem Arbeitsplatz. Er bearbeitet die Oberflächeeines Küchenschranks. Holzki schaut sich die Werkstatt an und sieht, dass der Arbeitsplatz bereits behinderungsgerecht ausgestattet ist. Es gibt höhenverstellbare Werktische und Hebehilfen. Da die Arbeit als Schreiner sehr fordernd ist, empfiehlt der Ingenieur, dass Markus Robert zusätzliche Pausen macht. "So können wir die Belastung für Herrn Robert senken", erklärt Wolfgang Holzki. Außerdem prüft der technische Beratungsdienst, ob die Schreinerei Schramm für die Beschäftigung von Markus Robert einen Lohnkostenzuschuss durch das Integrationsamt erhalten kann. Dieser wird bewilligt, wenn Arbeitnehmer aufgrund der Schwerbehinderung weniger leisten können oder personelle Unterstützung notwendig ist.

"Generell sind Lohnkostenzuschüsse nachrangig zu betrachten. Ich schaue, ob die Behinderung durch technische Hilfen kompensiert werden kann. Es gibt für vieles eine entsprechende Lösung", sagt Wolfgang Holzki später im Auto. "Im Fall von Markus Robert werden allerdings schon alle technischen Hilfen genutzt."

Vor der Mittagspause haben die beiden einen weiteren Beratungstermin. Der Arbeitgeber dort möchte gern anonym bleiben. Es geht um Elisabeth Schulz*. Vor drei Jahren wurde sie bei der Firma neu angestellt. Sie ist stark körperlich behindert, kann schlecht gehen und stehen. In der Firma betreut sie Jugendliche, die aus Stoff ein Vliesmaterial herstellen. Qualitätssicherung und Anleitung sind ihre Aufgaben. Zugleich transportiert sie die fertigen Stoffe auf einem Hubwagen in das Lager oder direkt auf einen LKW.

 

HÜRDEN ÜBERWINDEN

Wolfgang Holzki fällt auf, dass Elisabeth Schulz bei dieser Arbeit an ihre Grenzen kommt. Der Hubwagen ist für sie schwer zu lenken, weil der Antrieb nicht an ihre Laufgeschwindigkeit angepasst ist. Er rennt ihr förmlich davon. Wenn sie sich einmal setzen will, hat sie nur einen Standardstuhl. Der ist viel zu groß für sie. "Sie benötigt einen Stuhl mit niedriger Sitzhöhe, angepasst an ihre Körpergroße", konstatiert der Ingenieur. "Und sie braucht einen Hubwagen mit langsamem Antrieb." Außerdem empfiehlt Holzki dem Arbeitgeber, Elisabeth Schulz als Anleiterin noch einmal zu schulen und eventuell sogar einen Job Coach einzuschalten. "Der schaut genau, wie sie ihre Fähigkeiten am besten einsetzen kann und wo es Hürden gibt." Er hoffe, sagt Holzki auf dem Weg zum nächsten Betrieb, dass Elisabeth Schulz den Anforderungen ihres Jobs mit den Unterstützungsmaßnahmen künftig richtig gut gerecht werden könne. Er hätte sich gefreut, wenn der Arbeitgeber ihn in diesem Fall früher zu Rate gezogen hätte.

Nun fahren Holzki und Kathöwer beim DRK-Kreisverband in Fulda vor. Hier berichtet ihm Frau Beate Nawracay von FrankRennert*. Er arbeitet in der Ersthelferausbildung. Aufgrund sehr starker Schulterprobleme kann er diese Aufgabe nicht mehr ausüben. Am Boden zu knien und anhand einer Puppe vorzuführen, wo Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht werden müssen, ist für ihn immer schwerer geworden. Vor allem aber auch, die schwere Übungspuppe umzulagern.

"Wir planen, für Frank Rennert eine neue Aufgabe im Verband zu suchen", erklärt Beate Nawracay. Bis dahin, so ihr Wunsch, möchte sie gern einen Lohnkostenzuschuss bewilligt erhalten, da Rennert nicht mehr in seinem ursprünglichen Aufgabengebiet eingesetzt werden kann. "Wir benötigen eine genaue Aufgabenbeschreibung", sagt Andreas Kathöwer, bevor er mit seinem Kollegen zum Auto zurückkehrt.

 

QUALITÄT MUSS STIMMEN

Der Rückweg zieht sich wegen des Feierabendverkehrs in die Länge. Als sie ankommen, ist es dunkel. In den nächsten Tagen wird Wolfgang Holzki die fachtechnischen Stellungnahmen schreiben. Dann kann Andreas Kathöwer die Anträge weiter bearbeiten. "Es ist ein laufendes Verfahren, das aufeinander aufbaut", sagt er. Die Bewilligung der Zuschüsse erfolgt auf Grundlage von Angeboten, die der Arbeitgeber einholt. Wie lange die Bearbeitung jeweils dauert? "Das kann ich nicht sagen. Jeder Fall ist anders", sagt Wolfgang Holzki. Es hänge auch davon ab, wie schnell die Betriebe die nötigen Unterlagen schickten. Aber: "Die Arbeit bleibt auch nach mittlerweile 14 Jahren im Integrationsamt spannend. Ich arbeite gern mit Menschen und versuche Probleme in der Arbeitswelt zu lösen." Inklusion könne nur funktionieren, wenn alle zufrieden seien: "Das heißt, das Arbeitsergebnis und die Qualität stimmt und Belastungen und Beanspruchungen befinden sich für den schwerbehinderten Menschen im Gleichgewicht."

Sebastian Dittrich/ebo

 

*Namen von der Redaktion geändert