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Archivalien-Restaurierung

190.000 Euro für historische Kalmenhof-Akten


Blick ins LWV-Archiv in die Regale, in denen die Archivalien der "Kinderfachabteilung" des Kalmenhof-Krankenhauses lagern

Unterlagen aus der Zeit der "Kinderfachabteilung"– rund 700 Kinder und Jugendliche, die nicht dem Weltbild der Nationalsozialisten entsprachen, wurden im Kalmenhof-Krankenhaus durch Medikamente ermordet – lagern im Archiv des LWV. Auch diese Archivalien werden aus den Fördermitteln restauriert. (Foto: Lothar Koch)

25.09.2023

Kassel (lwv): Das Archiv des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) Hessen erhält 190.800 Euro, um historische Einzelfallakten der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein zu restaurieren: 106.000 Euro kommen von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) aus dem Sonderprogramm für die Erhaltung schriftlichen Kulturguts. Damit werden Projekte unterstützt, die aus wissenschaftlicher oder historischer Sicht von überregionaler Bedeutung sind. Mit 84.800 Euro unterstützt das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst aus dem Landesprogramm Bestandserhaltung die Maßnahme. Die Mittel sind vorgesehen, um insgesamt 50 laufende Meter Akten aus dem Zeitraum 1900 bis 1970 zu reinigen, von Metall wie Heftklammern zu befreien und archivgerecht zu verpacken.

Die im LWV-Archiv überlieferten Einzelfallakten des Kalmenhofs sind Spiegel der wechselvollen Geschichte der Einrichtung. 1888 gründete der "Verein für die Idiotenanstalt zu Idstein", dem hauptsächlich wohlhabende Frankfurter Bürger angehörten, den Kalmenhof. 1933 wurde er vom Bezirkskommunalverband Wiesbaden (einem der Vorgänger des heutigen LWV) übernommen. Von Januar bis August 1941 fungierte die Einrichtung als Zwischenanstalt für die "Euthanasie"-Tötungsanstalt Hadamar. Ende 1941 richteten die Nationalsozialisten auf dem Gelände eine so genannte Kinderfachabteilung ein. Hier wurden rund 700 Kinder und Jugendliche, die nicht dem Weltbild der Nationalsozialisten entsprachen, durch Medikamente ermordet.

Nach Kriegsende war der Kalmenhof eine Behinderten- und Jugendhilfeeinrichtung. Auf dem Gelände waren Kinder und Jugendliche der Fürsorgeerziehung sowie der Freiwilligen Erziehungshilfe untergebracht.

Die Einzelfallakten der Patientinnen und Patienten, die 1941 über den Kalmenhof als Zwischenanstalt in die Tötungsanstalt Hadamar transportiert worden sind, werden heute im Bundesarchiv in Berlin aufbewahrt. Die überlieferten Unterlagen der "Kinderfachabteilung" sind Teil des Bestandes des LWV-Archivs. Sie dokumentieren die deutschlandweite Verstrickung der Einrichtung, finden sich im Bestand doch neben hessischen auch die Akten von Opfern und Überlebenden aus Hamburg, Westfalen und dem Rheinland. Bei den Unterlagen nach 1945 handelt es sich um Einzelfallakten von Heimkindern. Sie bieten einen Einblick in die Praxis und Probleme der Heimerziehung der 1950er und 1960er Jahre.

Derzeit wird ein Konzept erarbeitet, um im Gebäude des ehemaligen Kalmenhof-Krankenhauses einen Gedenk- und Lernort einzurichten. Dabei soll das gesamte Areal einbezogen werden: Zwei aufeinander bezogene Ausstellungen im Gebäude und auf dem Außengelände sollen über ein Wegesystem miteinander verbunden werden. Der Plan ist, dass das umgebende Gelände mit der ehemaligen Liege- bzw. Leichenhalle und das als Gedenklandschaft zu entwickelnde Grabgelände Teil des Ganzen werden.

Im Rahmen des genannten Sonderprogramms des Bundes werden 2023 insgesamt 88 Vorhaben mit Fördermitteln in Höhe von rund 2,3 Millionen Euro gefördert. Lediglich zwölf davon sind mehrjährige Projekte, zwei davon in Hessen. Neben dem LWV-Archiv wird ebenfalls das Hessische Landesarchiv in Marburg gefördert.


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