Logo LWVblog

Maßregelvollzug bleibt heftig diskutiertes Thema

Pro und Contra Forensik in Riedstadt – Neubau in Haina in Betrieb genommen

Der vom LWV angestrebte Bau einer Klinik für forensische Psychiatrie im südhessischen Riedstadt, einem etablierten Psychiatriestandort, ist dort seit Wochen kommunalpolitisches Thema Nummer 1. Mit einer offensiven Informationspolitik hat der LWV gemeinsam mit dem ZSP Philippshospital versucht, den Vorbehalten und Vorurteilen eines Teiles der Bürgerschaft zu begegnen.

In der Hainaer Klinik haben sich die Therapiebedingungen durch die im April erfolgte Inbetriebnahme des Hauses G 2 spürbar verbessert, wenngleich die Kapazitätsprobleme dort wie auch in den anderen Kliniken fortbestehen. Für verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen im Maßregelvollzug hat sich der LWV in Gesprächen mit dem Bundesjustizministerium eingesetzt.

Riedstadt: Auf dem Weg zum Bürgerentscheid

Nach mehrmaligem Anlauf hatte die Riedstädter Bürgerinitiative gegen den Bau einer forensischen Klinik schließlich Erfolg mit dem Versuch, dieses Thema zum Gegenstand eines örtlichen Bürgerentscheides zu erheben: Nach dem die ersten beiden Unterschriftensammlungen aus formellen Gründen gescheitert waren, stellte der Gemeindevorstand beim dritten Mal fest, dass die Kriterien für die Zulassung eines Bürgerentscheides erfüllt seien und legte als Termin für den Urnengang, der konsultativen Charakter hat, den 16. Mai fest. Ursprünglich ein Termin, an dem die Verbandsversammlung des LWV bereits ihren Beschluss zum Standort getroffen haben wollte. Angesichts des noch ausstehenden Beschlusses der Hessischen Landesregierung und der Möglichkeit, bis zum Termin weiter über die Aufgaben und den Betrieb einer forensischen Klinik vor Ort informieren zu können, setzte die Verbandsversammlung am 17. März ihren Beschluss auf Empfehlung des Krankenhausausschusses zunächst aus. Der Beschluss soll nun in der kommenden Sitzung am 7. Juli getroffen werden.

Angesichts der noch immer weit verbreiteten Vorbehalte und Vorurteile wandte sich LWV-Landesdirektor Lutz Bauer mit der Bitte an die Bürgerinnen und Bürger Riedstadts, die kommende Zeit für die weitere persönliche Informationsgewinnung zu nutzen. Dabei sahen sich LWV und das ZSP Philippshospital selbst in der Pflicht, den Bürgern ein leicht erreichbares Informationsangebot zu machen. Bereits im Februar hatte der erste Besuch einer Gruppe Riedstädter Bürgerinnen und Bürger, unter ihnen auch der Bürgermeister Riedstadts, Gerald Kummer, in der forensischen Klinik in Gießen stattgefunden. Dort konnten sich die Riedstädter Bürger mit dem Betrieb einer modernen forensischen Klinik vertraut machen. Doch nicht nur Vertreter, die pro domo sprachen, standen den zum Teil durchaus kritisch eingestellten Riedstädter Bürgern zur Verfügung: Auch Gießens Oberbürgermeister Heinz-Peter Haumann, zugleich Vorsitzender des dortigen Forensikbeirates, berichtete über die Erfahrungen mit dem Maßregelvollzug aus kommunaler Sicht und beantwortete zahlreiche Fragen. Bis zum Bürgerentscheid am 16. Mai blieben Gegner wie Befürworter eines Klinikbaues aktiv und setzten sich in vielen Veranstaltungen und durch publizistische Aktionen mit dem Thema auseinander.

Neubau in Haina

Mitglieder der Betriebskommission des Zentrums für Soziale Psychiatrie Haina und des Forensikbeirates der Klinik für forensische Psychiatrie Haina gaben im April den Startschuss für die Nutzung des neu errichteten Gebäudes G 2. Mit dem Neubau wurden die Bedingungen für Unterbringung und Behandlung verbessert, die Kapazitäten der überbelegten Klinik aber nicht erweitert. "Natürlich erfüllt uns die Inbetriebnahme des Gebäudes mit Freude. Einen ausschließlichen Grund zum Feiern gibt es mit Bezug auf die anhaltende Überbelegung in der Klinik und die Engpässe im hessischen Maßregelvollzug jedoch nicht", gab LWV-Landesdirektor Lutz Bauer bei der gemeinsamen Sitzung beider Gremien zu bedenken. Im April 2002 sei der Grundstein für diesen Neubau gelegt worden, nach nur rund zweieinhalbjähriger Bauzeit habe man den Bau vollenden können, für Investitionen im Maßregelvollzug keine Selbstverständlichkeit, so Bauer weiter.

Im neuen Gebäude wurden Räumlichkeiten für 32 Plätze (zwei Stationen à 16 Betten) sowie bewegungs- und ergotherapeutische Angebote geschaffen. Mit diesen Kapazitäten schafft der Neubau Ersatz für später wegfallende Räume zweier Stationen mit insgesamt 40 Plätzen im alten Gebäude G 2. Diese Räume sollen so bald wie möglich zu Funktionsräumen umgebaut werden (Dienstzimmer für Mitarbeiter, Schulungsräume, Behandlungs- und Gruppenräume). Das neue Gebäude ist der erste Bauabschnitt von Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von rund 9,7 Mio. ¤, in das auch der Umbau des alten Gebäudes eingerechnet wurde. Auf den Neubau entfielen davon rund 5,1 Mio.

Informationsaustausch mit dem Bundesjustizministerium

Die Forderung, den Kapazitätsproblemen im Maßregelvollzug – neben der Schaffung von mehr Therapieplätzen – auch mit einer dringend gebotenen Änderung des Strafgesetzbuches zu begegnen, hatte der LWV in der Vergangenheit bereits mehrfach erhoben. LWV-Landesdirektor Lutz Bauer geht es dabei zum einen darum, dass die Voraussetzungen für eine Einweisung von suchtkranken Rechtsbrechern in den Maßregelvollzug wesentlich enger gefasst werden: Sie sollen nur noch durch die Gerichte eingewiesen werden können, wenn eine begründete Aussicht auf einen positiven Therapieverlauf bestehe. Außerdem solle die Möglichkeit erleichtert werden, die Therapie abzubrechen und Patienten mit noch nicht verbüßten Haftstrafen in den Justizvollzug zu überführen, wenn während der Therapie die Aussichtslosigkeit einer Behandlung festgestellt werde. Als des Weiteren dringend erforderlich ist für den LWV-Chef der sog. Vorwegvollzug: Suchtkranke Rechtsbrecher, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt wurden, sollen künftig zu Beginn ihres Freiheitsentzuges und nicht – wie in vielen Fällen bisher geschehen – nach Abschluss einer erfolgreichen Therapie in den Justizvollzug überstellt werden. In einem weiteren Kernpunkt zielen die Forderungen des LWV darauf ab, Fehlunterbringungen psychisch kranker Rechtsbrecher im Maßregelvollzug zu vermeiden und ggf. korrigieren zu können. Bei fortdauernder Gefährlichkeit für die Allgemeinheit käme eine Überweisung dieser Personen in die Sicherungsverwahrung in Betracht. Die gegenwärtige Praxis binde nach Auffassung des LWV-Chefs Kapazitäten, die dann für erfolgversprechende Fälle nicht mehr zur Verfügung stünden.

Um dem Gesetzgeber diesen Novellierungsbedarf zu verdeutlichen, hatte der LWV bereits im vergangenen Jahr Kontakt zum Bundesjustizministerium aufgenommen. Nach einem ersten Informationsaustausch zwischen dem Parlamentarischen Staatssekretär Alfred Hartenbach und Lutz Bauer in Berlin, setzten LWV und Ministerium im Februar mit einem Besuch der beiden Ministeriumsvertreterinnen Dr. Ursula Schneider und Sylvia Frey den begonnenen Dialog fort. Auch einen Einblick in die praktische Arbeit der forensischen Kliniken wollten sich die beiden Fachfrauen verschaffen. So stand ein Besuch in den Kliniken in Haina (Kloster), Außenstelle Gießen, und Hadamar auf dem Programm, wo Vertreter der Klinikleitung und des Fachbereiches Einrichtungen als Gesprächpartner zur Verfügung standen. Mittlerweile gibt es Signale aus dem Justizministerium, dass die Gesetzesnovelle allmählich konkrete Formen annimmt. Ein Entwurf befindet sich gegenwärtig in der Ressortabstimmung. (jda)

Letzte Meldung

Bürgervotum gegen Klinik

Von 15.988 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Riedstadt beteiligten sich am 16. Mai 6.684 am Bürgerentscheid, was einer Wahlbeteiligung von 41,8 % entspricht. Von den 6.637 gültigen Stimmen entfielen 5.631 auf “Ja” und 1.006 auf “Nein”. Das bedeutet, dass sich 84,8 % der an der Abstimmung beteiligten Bürger gegen den Bau einer forensischen Klinik im ZSP Philippshospital ausgesprochen haben. (rvk)