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Neuer Standortvorschlag Riedstadt – Netz der Beiräte komplett

Forensik: LWV-Ausbaustrategie kommt voran

Forensik: Kaum eine andere Aufgabe des LWV sorgt für ein ähnliches Interesse in der Öffentlichkeit, erzeugt immer wieder Emotionen und weckt Aufklärungsbedarf. Spekulationen über einen weiteren Ausbau der forensischen Klinik in Eltville hatten im Sommer des vergangenen Jahres für heftige Diskussionen gesorgt. Mittlerweile, nachdem der LWV klarstellte, dass eine Kapazität über die beschlossenen 57 Plätze hinaus nicht vorgesehen ist, hat sich die Debatte wieder versachlicht. Dafür stehen die Planungen in Riedstadt im grellen Licht einer kritischen lokalen Öffentlichkeit, nachdem der LWV seine Überlegungen zum Bau einer Klinik für psychisch kranke Rechtsbrecher auf dem Gelände des ZSP Philippshospital bekannt gab. Eine Bürgerinitiative startete sofort eine Unterschriftensammlung, LWV und ZSP-Verantwortliche standen den Bürgern im Januar in einer Informationsveranstaltung Rede und Antwort. Zu wichtigen Instrumenten der Bürgerinformation haben sich die Forensikbeiräte entwickelt, die nun an allen Klinikstandorten ihre Arbeit aufgenommen haben. Die Reihe der konstituierenden Sitzungen der Beiräte wurde im Dezember in der ältesten forensischen Klinik in Haina vorerst abgeschlossen.

 

Riedstadt neuer Standortvorschlag

Das Bemühen aller Podiumsteilnehmer, sachlich und umfassend zu informieren, attestierten auch dezidierte Gegner der Überlegungen, auf dem Gelände des ZSP Philippshospital eine neue Klinik für psychisch kranke Rechtsbrecher zu errichten. Dennoch, die Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger war am Ende einer im Januar vom LWV gemeinsam mit ZSP und Gemeinde angebotenen ersten Informationsveranstaltung noch immer zu spüren, wenngleich andere Stimmen auch wachsendes Verständnis vermittelten. Vor allem dem von den Referenten immer wieder formulierten Appell, einer gesellschaftlich als wichtig erkannten Aufgabe müsse auch die Konsequenz einer mitwirkenden Umsetzung folgen, vermochten sich nicht alle anzuschließen. Einige verharrten auf ihrer Position eines "Forensische Psychiatrie ja, wenn es sein muss, aber nicht bei uns".

Mehr als 400 Bürgerinnen und Bürger füllten die Sporthalle in Riedstadt-Crumstadt – nur wenige hundert Meter vom Psychiatriegelände entfernt – bis auf den letzten verfügbaren Stehplatz, als LWV-Landesdirektor Lutz Bauer die Zuhörer bat, die Veranstaltung als einen Beleg dafür zu nehmen, dass der LWV als Klinikbetreiber Sorgen und Vorbehalte ernst nehme und auf die Informationswünsche der Bürgerschaft eingehe. Er appellierte, sich ein realistisches Bild von der Arbeit in einer forensischen Klinik zu machen, nicht allein spektakuläre Verbrechen zu betrachten, die häufig mit forensischer Psychiatrie überhaupt nichts zu tun hätten. Die forensische Psychiatrie sei kein Auffangbecken für besonders grausame Delikte. Aufgabe und Ziel einer forensischen Klinik sei es, durch gezielte und dokumentierte therapeutische Arbeit für mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Psychisch kranken Rechtsbrechern könne in meisten Fällen wirksam geholfen werden, Rückfallstatistiken belegten dies. Joachim Hübner von der LWV-Hauptverwaltung und Axel Freese, Ärztlicher Direktor der forensischen Klinik in Eltville, illustrierten in ihren Beiträgen den rechtlichen Rahmen bzw. die therapeutische Praxis.
Zahlreiche Fragen der Bürger problematisierten die Standortwahl Riedstadt. Diesen Faden griff Jörg Osmers, Abteilungsleiter im Hessischen Sozialministerium auf. Für den Standort Riedstadt spräche, dass man einen geeigneten Standort für Patienten benötige, die von den südhessischen Gerichten in den Maßregelvollzug eingewiesen würden. Auch fände sich am Standort Riedstadt die unentbehrliche psychiatrische Infrastruktur wieder. Dort sei es auch möglich, qualifiziertes Personal zu gewinnen. In die Schusslinie der Bürger geriet Bürgermeister Gerald Kummer, dem zu Beginn der Fragerunde vorgeworfen wurde, die Standortprüfung des LWV nicht rechtzeitig bekannt gemacht zu haben. Kummer wie auch LWV-Vertreter konnten allerdings verdeutlichen, dass die konkreten Standortprüfungen erst vor kurzem eingesetzt hätten und die Gemeinde frühzeitig eingebunden worden sei. Unmittelbar danach hätten sowohl Gemeinde wie auch LWV über die Standortprüfungen informiert. Wenige Tage vor der Informationsveranstaltung hatten Vertreter der eilig formierten Bürgerinitiative, dem Bürgermeister mehr als 3.000 Unterschriften als erste Etappe eines Bürgerbegehrens, das sich gegen den Bau der Klinik richtet, übergeben. Entschieden werden soll Mitte März durch die Verbandsversammlung des LWV und einen Beschluss der Hessischen Landesregierung. LWV und ZSP Philippshospital wollen der Bürgerschaft weitere Informationsangebote unterbreiten.

Hanau: Es bleibt bei 15 Plätzen

In der neu geschaffenen Klinik in Hanau trat im November des vergangenen Jahres der Forensikbeirat zum ersten Mal zusammen. Erst kurz zuvor waren 15 Patienten aus der Außenstelle Gießen der forensischen Klinik Haina in die umgebaute Untersuchungshaftanstalt nach Hanau verlegt worden. Bei den Patienten konnte – auch wegen deren fehlender Mitwirkung – nicht der erwartete therapeutische Erfolg erzielt werden. "Hauptaufgabe der Hanauer Klinik wird daher die Sicherung dieser Patientengruppe sein, Vollzugslockerungen finden nicht statt", erläuterte LWV-Landesdirektor Lutz Bauer die künftige Arbeit der Klinik, die als geschlossene und gesicherte Einrichtung geführt werde. Die Option, 45 Plätze in der Klinik einzurichten, werde der LWV voraussichtlich nicht ausschöpfen können, weil das Land die Umbaupläne aus Kostengründen gestoppt hat. Nach einer Vereinbarung mit dem Land solle die Klinik vorerst mit lediglich 15 Plätzen betrieben werden. Der LWV-Chef zeigte sich erfreut darüber, dass durch die Belegung der Hanauer Klinik in Gießen dringend benötigte Therapieplätze neu vergeben werden konnten: "So können wir die erfolgreiche Therapie in Gießen unter etwas verbesserten Bedingungen fortsetzen." Die Klinik für forensische Psychiatrie Hanau wird als Betriebszweig des Zentrums für Soziale Psychiatrie Mittlere Lahn mit Sitz in Gießen geführt. Zum Ärztlichen Direktor der Klinik war zuvor bereits Dr. Volker Hofstetter bestellt worden.

Mit Haina Netz der Forensikbeiräte vollständig

Die erste gerichtliche Psychiatrie in Hessen war in diesem Fall die letzte: Auch in der forensischen Klinik Haina (Kloster) hat sich Ende des vergangenen Jahres der Beirat für die dortige Klinik für forensische Psychiatrie konstituiert und schloss damit den Reigen der Beiratsgründungen ab. Damit habe der LWV an allen derzeitigen sechs Forensikstandorten in Hessen Beiräte zur Mitwirkung der Bürgerschaft eingerichtet, sagte LWV-Landesdirektor Lutz Bauer anlässlich der ersten Sitzung in Haina. Insgesamt seien 145 Personen berufen worden, um als Bindeglieder zwischen Bürgerschaft und Klinik zu wirken. Der LWV-Chef sieht in der Arbeit der Beiräte ein wichtiges Instrument, über Aufgaben und Ziele der forensischen Psychiatrie zu informieren und aufzuklären. "Die Erfahrungen, die wir bisher mit den Beiräten machen konnten, sind durchaus ermutigend. Die Beiräte können einen Beitrag dazu leisten, die Klinik in der Region zu verankern und Vorbehalte und Vorurteile zu erörtern, damit sie ausgeräumt werden können." Auch in Riedstadt werde, sobald Klarheit über diesen Standort bestehe, ein Forensikbeirat eingerichtet. Der Beirat solle wie in Bad Emstal bereits in einer möglichst frühen Phase seine Arbeit aufnehmen. (jda)