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Vor einem halben Jahrtausend wurde Landgraf Philipp von Hessen geboren

Großmut und Mildtätigkeit

2004 ist "Philipp-Jahr". Der Geburtstag des "Vaters des politischen Protestantismus", Landgraf Philipp von Hessen, mit dem Beinamen "Der Großmütige", jährt sich am 13. November 2004 zum 500. Mal. Auch für den LWV bedeutet das Leben und Wirken Philipps viel: Fast alle Klosterkonvente in Hessen löste er im Zuge der Reformation auf, aus den Klöstern Merxhausen, Haina und Gronau sowie aus der Pfarrei Hofheim machte Philipp durch Stiftungsakt Hospitäler für die Armen- und Krankenfürsorge. Drei von diesen Hospitälern bestehen als durch den LWV betriebene Zentren für Soziale Psychiatrie noch heute, eines trägt seinen Namen: Das Philippshospital im heutigen Riedstadt, früher Hofheim. Bereits im vergangenen September begann der Veranstaltungsreigen zum "Philipp-Jahr" mit dem vom LWV mitgetragenen Kolloquium "Das europäische Hospital am Beginn der Neuzeit", bei dem die Hospitalstiftungen Landgraf Philipps im Mittelpunkt standen (siehe auch LWV-Info Nr. 4/2003).

Führer der Reformation

Landgraf Philipp, geboren am 13. November 1504, war zweifellos der bedeutendste und europäischste unter den hessischen Fürsten überhaupt. Er führte bereits 1526 den evangelischen Glauben in Hessen ein und wurde bald zum politischen Führer der Reformation (Stichwort Schmalkaldischer Bund). Im Jahre 1527 eröffnete er die erste protestantische Universität in Marburg an der Lahn, Hohe Schule genannt. 1529 gelang es ihm, die wichtigsten theologischen Vertreter der Reformation auf dem Marburger Schloss zu einem Religionsgespräch zusammenzubringen, das allerdings in der Abendmahlsfrage erfolglos blieb. In den Jahren 1533 bis 1542 stiftete er die vier landgräflichen Hohen Hospitäler in Hessen als Armeneinrichtungen.

Mit der Stiftung der Hospitäler gelang Philipp eine Kaiser, Papst wie Öffentlichkeit gleichermaßen überzeugende Verwendung der Klostergüter, das Lob des mildtätigen Herrschers sollte die gesamte Frühe Neuzeit prägen. Andererseits bildete die Armenfürsorge auch eine zentrale Aufgabe der lutherisch gläubigen Obrigkeit, die sich "um Gottes Willen" für Arme einsetzen sollte. Besonders für die bedürftigen Landbewohner stellte man nach Aufhebung der Klöster mit ihren Armenspenden und Krankensälen fest, dass nun jede institutionelle Hilfe fehlte. Die Gründung von eigenen Spitälern für die Landbevölkerung war die praktische Antwort auf dieses Problem.

Seelsorge dominierte

Das Aufnahmeverfahren für den Hospitalseintritt war von Anfang an reglementiert. Nur Untertanen protestantischen Glaubens und mit dauerhafter Hilfsbedürftigkeit infolge von Behinderung, Krankheit oder hohem Alter aus den Dörfern der Landgrafschaft konnten zunächst in den Hohen Hospitälern versorgt werden. Da es sich um Hospitalinsassen handelte, die nicht zur Therapie kamen, sondern Zeit ihres Lebens in den Hospitälern verblieben, spielte die medizinische Versorgung im engeren Sinne eine nachgeordnete Rolle. Jedoch fehlte die Krankenhausfunktion nicht völlig, schon der erste Pater des Hospitals Haina wurde als guter Medicus gerühmt. Ausgaben für Arzneien, Löhne für wandernde Spezialärzte sowie Bader, Baderinnen und Wundärzte sind in den Hospitalsrechnungen belegt. Trotzdem blieb noch bis zum 19. Jahrhundert die Seelsorge vorrangig, die besonders den Bettlägerigen und Gefangenen, aber auch den "Schwachen im Haupte" und vor allem den schwermütigen Insassen zugute kam. Nicht zu unterschätzen waren schließlich gute Ernährung, warme Kleidung, das eigene Bett sowie das gemeinschaftliche Wohnen, Beten, Singen und Arbeiten.

Die Versorgung von psychisch kranken und behinderten Menschen spielte von Anfang an eine bedeutende Rolle (Geisteskranke und Geistesschwache machten etwa ein Viertel der Insassen aus). So entwickelten sich die als Armenhäuser konzipierten Hohen Hospitäler im Laufe der Frühen Neuzeit gleichermaßen sowohl zu Versorgungseinrichtungen für hilfsbedürftige Dorfbewohner wie später auch für geisteskranke Städter, kranke Staatsdiener, invalide Soldaten, elternlose Kinder und Pensionäre.

Von den städtischen Bürgerspitälern übernahmen die Hohen Hospitäler nicht nur ihre sozialpolitische Ausrichtung, sondern auch die geringe Medikalisierung. Der Verzicht auf systematische Heilungsversuche und Festanstellung eines Arztes waren für die meisten Bürgerspitäler ebenso wie für die Hohen Hospitäler symptomatisch. Neu war für den deutschsprachigen Bereich die Größe der Hohen Hospitäler (sie boten nämlich bis zu 500 Plätzen). Für die schon am Ende des 15. Jahrhunderts sehr gut ausgebaute Verwaltung in Hessen war es offensichtlich kein Problem, auch Einrichtungen dieser Größenordnung zu leiten. Der Landgraf konnte insbesondere das in Hessen vorhandene enge Netz von Ämtern zur Überprüfung der Antragsteller und Antragstellerinnen einsetzen. Neben der Größe ist auch die Komplexität der Hohen Hospitäler zu betonen, denn die Stiftung brachte unterschiedliche Typen von Spitälern in einen administrativen und lokalen Zusammenhang, die bis dahin im städtischen Bereich getrennt waren.

Anfänge der Psychiatrie

Zieht man den Vergleich, dann war die Zahl Geisteskranker in den hessischen Hohen Hospitälern nun allerdings absolut und relativ nicht nur sehr hoch, ihre Versorgung nahm vielmehr auch einen eigenen herausragenden Stellenwert ein. Diese frühen Anfänge der "Psychiatrie" in Hessen bedürfen der Erklärung. Das Vorkommen von Geisteskrankheiten in der Familie des Landgrafen ist wahrscheinlich für den Landesherrn ein Beweggrund gewesen, sich dieser Hilfsbedürftigen besonders anzunehmen. Für den deutschsprachigen Raum nahmen die Hohen Hospitäler nun zweifellos eine Vorreiterrolle in der psychiatrischen Versorgung ein.

An der Wende zur Moderne gerieten die Hohen Hospitäler erneut in den Blickpunkt des Interesses: Es waren nun gerade diese in Zeiten des religiösen Umbruchs am Beginn der Neuzeit entstandenen sozialen Einrichtungen, die im Rahmen einer durch Aufklärung und Romantik des 19. Jahrhunderts bestimmten Psychiatrie wegen der "natürlichen Harmonie" und ihrer ländlichen Lage eine ganz neue therapeutische Bedeutung erlangten. Diese ländliche Lage war es auch, die Haina, Merxhausen und Hofheim, das dann ab 1904 zu Ehren Philipp des Großmütigen Philippshospital hieß, alle Umbrüche der Zeit überstehen ließen. Denn hier war eine Beschäftigung der Patienten in der Landwirtschaft, in Mühlen und Backstuben, in Gärtnereien und zahlreichen Werkstätten als Arbeits- und Beschäftigungstherapie problemlos möglich. Erst nach 1945 können wir dann von einer Medikalisierung der ehemaligen Landeshospitäler tatsächlich sprechen. Konsequent hat der Landeswohlfahrtsverband im Jahre 1957 daher die Anstalten in Psychiatrische Krankenhäuser umbenannt. Seit einigen Jahren sind Haina, Merxhausen und das Philippshospital nun wie andere Einrichtungen des LWV Zentren für Soziale Psychiatrie. Der ursprüngliche Auftrag des Landgrafen, armen, kranken und hilfsbedürftigen Menschen zu helfen, wirkt nach wie vor, wenn auch in modernem Gewand. Christina Vanja/(jda)


Weitere Informationen im Internet unter www.philipp-von-hessen.de.


Wichtige Veranstaltungen im Philipp-Jahr

  • Wanderausstellung „Hessens prägende Zeit. Landgraf Philipp der Großmütige 1504 – 1587“; Eröffnung am 21. März 2004 in Biedenkopf. Die Ausstellung ist danach an weiteren Orten in Hessen zu sehen.
  • Interdisziplinäres Symposium: „Landgraf Philipp von Hessen und seine Residenz Kassel“, Universität Kassel, 17. – 18. Juni 2004
  • Landesausstellung „Landgraf Philipp der Großmütige – Hessen im Zentrum der Reform“, Marburger Schloss, 4. September – 28. November 2004
  • Festveranstaltung im ZSP Kurhessen, Bad Emstal, 10. – 12. September 2004
  • Tag der hessischen Landesgeschichte, Kassel, 17. – 19. September 2004
  • Geburtstagssymposium der Historischen Kommission für Hessen, Marburg, auch mit einem Beitrag zur Sozialpolitik Landgraf Philipps, Universität Marburg, 10. – 13. November 2004


epd/(jda)