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Neue Therapieansätze für Frauen im Maßregelvollzug

Erste forensische Frauenfachtagung in Hadamar

Am 12. und 13. Juli veranstaltete die Klinik für forensische Psychiatrie des ZSP Am Mönchberg in Hadamar die erste Fachtagung, die sich unter dem Titel "Frau – Sucht - Delinquenz" mit Frauen im Maßregelvollzug beschäftigte. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Suche nach besseren Therapiemöglichkeiten speziell für suchtkranke Rechtsbrecherinnen. Die mit hochkarätigen Referentinnen aus dem Bereich der forensischen Psychiatrie und Traumatologie besetzte Tagung fand unter den Teilnehmern große Anerkennung. Der besondere Stellenwert der Veranstaltung lag auch darin begründet, dass das Thema "Frauen im Maßregelvollzug" in Fachkreisen bisher nur geringen Raum einnimmt. Doch nicht nur bei Forensik-Fachleuten ist die spezielle Problematik süchtiger, delinquenter Frauen ein vernachlässigtes Thema, auch in der gesellschaftlichen Diskussion seien die Frauen mit einem "mehrfachen Stigma" belegt und "an den Rand gedrängt", so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, in ihrem Grußwort.

Vom Opfer zur Täterin

Dr. Margarethe Philipp, leitende Abteilungsärztin in der forensischen Klinik und Organisatorin der Veranstaltung, sieht als Hauptproblem und Ansatzpunkt für die erfolgreiche Therapierung der Frauen die fast in allen Fällen vorliegende Traumatisierung durch in Beziehungen erlebte Gewalt. Die Frauen hätten über lange Jahre, oft seit ihrer Kindheit, Gewalt in ihrem Verhältnis zu Ehemännern, Vätern und Geschwistern erfahren. Dr. Franziska Lamott, Privatdozentin an der Universität Ulm, führte an, dass "über 85 % der Frauen im Maßregelvollzug vor dem Fall in Sucht und Delinquenz Opfer von Vernachlässigungs-, Trennungs-, seelischer, körperlicher oder sexueller Gewalt" gewesen seien. Laut Dr. Luise Reddemann, Pionierin auf dem Gebiet der Psychotraumatologie in Deutschland, resultiere aus diesen Biografien eine hohe Zahl posttraumatischer Belastungsstörungen. In 80 % der Fälle macht die Expertin für frauengerechte Psychotherapie eine einfache, in 20 % sogar eine komplexe Störung aus.

Dr. Philipp, die vor zwei Jahren die Hadamarer Frauenstation gründete, und Verena Klein, Leiterin der Frauenforensik in Taufkirchen, stimmten darin überein, dass nur durch eine gezielte Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen die eingefahrenen, "selbstzerstörerischen Verhaltensmuster" gegenüber Männern überwunden und so Rückfälle vermieden werden könnten. In der gemeinsamen Therapie mit männlichen süchtigen Straftätern sei dies schwierig, wenn nicht unmöglich. "Werden die Frauen mit dem Typ Männer, von dem sie in der Vergangenheit Gewalt erfahren haben, gemeinsam untergebracht und therapiert, bilden sich schnell wieder dieselben Muster heraus, die das Problem der Frauen erst verursacht haben", so Dr. Philipp. Der Rückfall gehe nicht in jedem Fall von den Männern aus. So wählten einige Frauen selbst den gewaltbereitesten unter ihren Mitgefangenen zum Beschützer. Therapiefortschritte auf Seiten der Frauen wie der Männer würden so verhindert. Durch die Trennung könne der Aspekt der Beziehungsgewalt besser bearbeitet und die Therapieerfolge der Frauen wie der Männer verbessert werden.

Schlüsselfunktion der Pflege

Eine wichtige Funktion in der Therapie kommt dem pflegerischen Personal zu. Für die Sozio- und Milieutherapie haben insbesondere die Pflegerinnen eine Schlüsselfunktion. Sie wirken hier neben ihrer klassisch pflegerischen Tätigkeit gleichzeitig als Vorbilder für die Patientinnen, denen es in ihrem sonstigen Umfeld an Beispielen für "normale" Frauenrollen mangelt. Marion Woidich, die seit Bestehen der Frauenstation dort tätig ist, betonte, dass es nicht darum gehe, den Patientinnen ein stereotypes Idealbild der "Frau von heute" zu vermitteln. Wichtig sei daher, dass "das Team aus den unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Altersstufen zusammengesetzt ist, damit der Begriff von dem, was Frau als gesund, normal und regelhaft betrachtet, nicht zu enge Grenzen aufweist".

Ein weiterer Knackpunkt in der Therapie der Frauen ist laut Dorothee Kieslich, Sozialarbeiterin und Gestalttherapeutin auf der Frauenstation der Hadamarer Forensik, ihre Beziehung zu den Kindern. Weit über die Hälfte der sich im Maßregelvollzug befindenden süchtigen Frauen hätten mindestens ein Kind. Die Kinder seien bei Eltern, Partnern, Angehörigen oder Pflegefamilien untergebracht. Am schwierigsten sei die Situation dann, wenn die Kinder im suchterzeugenden Milieu der Ursprungsfamilie verblieben, was häufig der Fall sei. Sobald die Frauen Therapiefortschritte machten und ihre eigenen Probleme erkennen könnten, werde ihnen auch klar, dass ihre Kinder dabei seien, in der selben Umgebung wie sie selbst aufzuwachsen. Die Exis-tenz eines Kindes könne so therapieunterstützend wirken. Die Frauen strebten die Besserung nicht nur um ihrer selbst, sondern auch um des Kindes Willen an. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass die Familie das Kind als Druckmittel benutze, um die Frau weiter in ihre alte Rolle zu drücken. Daher sei die Einbeziehung der Kinder – in weit höherem Maße als bei den Männern – entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der Therapie.

Erfolgreiche Therapie

Neben der Annäherung an ein besseres Verständnis der Ursachen von Sucht und Delinquenz bei Frauen waren auch die verschiedenen Therapieformen und deren Wirkungsweise Gegenstand der Tagung. Der Bereich der Kunsttherapie, die vor allem der Verbesserung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit der Frauen dient, war mit einer Ausstellung von Bildern, die die Patientinnen der Hadamarer Frauenstation gemalt hatten, besonders anschaulich. In den Bereichen der Sport- und Arbeitstherapie betonten die Referentinnen Heike Frenkler und Martina Hahn die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Patienten. So seien die Männer weitaus leistungs- bzw. siegorientierter und es herrsche starke Konkurrenz, während bei den Frauen eher Zurückhaltung und Teamarbeit charakteristisch seien.
Aus den vorgestellten Therapiemethoden ist neben den klassischen therapeutischen Instrumenten vor allem die Wiederentdeckung des meditativen Tanzes hervorzuheben. Dr. Hannelore Eibach, die dieses Therapeutikum schon seit vielen Jahren in der Behandlung Traumatisierter einsetzt, verwies auf den besonderen Nutzen des Tanzes, um Frauen zu einem neuen, selbstbestimmten Umgang mit ihrem Körper zu führen. Durch das Einüben spezieller Kreistanzelemente könne man dem Hauptziel der Therapie näher kommen: Das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken und sie so weniger anfällig für neue Abhängigkeiten zu machen.

Alexander Jung