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... sich um die kranke Seele sorgen

Pfarrer in Kliniken des LWV

"Seelsorger" sind sie eigentlich alle – Krankenschwestern und -pfleger, Ärzte, Psychologen, Pädagogen und die vielen anderen Berufgruppen, die sich in den Kliniken des LWV um das Wohl der Patienten kümmern. Doch die Bezeichnung "Klinikseelsorger" meint natürlich die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer und katholischen Pastoren bzw. Pastoralreferenten, deren "Gemeinde" die Patienten und Bewohner, mitunter auch die Beschäftigten der Zentren für Soziale Psychiatrie sind. In persönlichen Ausnahmesituationen Halt geben, als Gesprächspartner da sein, wenn fast alles in Frage gestellt wird, Trost spenden, auch durch das Wort und die Liebe Gottes, so lassen sich die Aufgaben der Klinikseelsorger beschreiben. Wie die Pfarrerinnen und Pfarrer ihren seelsorgerischen Alltag sehen, mit welchen Angeboten und Ambitionen sie ihre Arbeit verrichten, zeigen einige Gespräche, die LWV-Info mit Klinikseelsorgern geführt hat.

Wichtiger Zuhörer

"Den Patienten ist es nicht wichtig, welcher Konfession ein Seelsorger angehört. Viel wichtiger ist es, dass jemand Zeit hat und zuhört!" Diese Erfahrung hat Paulfried Spies in seiner bisher rund eineinhalbjährigen Tätigkeit als Seelsorger der Allgemeinpsychiatrie und der forensischen Psychiatrie in Gießen gemacht. Dort weisen auf allen Stationen Aushänge auf das Angebot des ökumenischen Seelsorgeteams, das neben Spies aus einer katholischen Pastoralreferentin und ihrem männlichen Kollegen besteht, hin. Sie laden auch zum Gottesdienst in die Kapelle ein, der Sonntag morgens um halb 10 stattfindet. Den Gottesdienst nutzen viele Patienten, sagt Pfarrer Spies, um mit ihm Kontakt aufzunehmen. Oft ergäbe sich daraus die Verabredung zu einem Einzelgespräch. Patienten möchten sich bei einem längeren stationären Klinikaufenthalt nicht von der Außenwelt abgeschnitten fühlen. Dies habe das Seelsorgeteam bewogen, zu einem wöchentlichen "Offenen Singen" in die Kapelle einzuladen. An diesem Abend könnten außer den Patienten auch Interessierte aus der Stadt bzw. ehemalige Patienten teilnehmen. Beim gemeinsamen Singen komme viel Freude auf, meint Spies, zumal eine Band aus Patienten und "Ehemaligen" den Gesang begleite und dabei versuche, Liedwünsche zu erfüllen.

Froh ist der evangelische Geistliche, dass ihm in den verschiedenen Klinikbereichen 26 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zur Seite stehen: "Ohne die könnten die vielen Wünsche gar nicht alle erfüllt werden." Lebendig würde es bei den "Gesprächen unterm Dach", die das Team den Patienten der Häuser 2 und 5, meist junge Leute und viele von ihnen suchtkrank, anbiete: "Die sind sehr motiviert, über Sinnfragen zu sprechen." Für Spies selbst sei seine abwechslungsreiche Tätigkeit in Gießen auch sehr motivierend: Er komme nun mit einer anderen Gruppe von Menschen zusammen, als es vorher in einer zwanzigjährigen Tätigkeit als Gemeindepfarrer der Fall gewesen sei.

Einzelgespräche und Gespräche auf der Station gehören zu den Hauptaufgaben von Gerd Köthe, evangelischer Pfarrer und Klinikseelsorger im ZSP Kurhessen in Bad Emstal. Er berichtet uns, dass Kontakte mit den Patienten schnell entstünden, da er am Hauptstandort Merxhausen, seinem Einsatzort, sehr bekannt sei. Auch spräche sich herum, dass er für Einzel- als auch für Gespräche mit kleineren Gruppen zur Verfügung stehe. Viele Gespräche, sagt der Pfarrer, fänden spontan, ohne vorherige Terminvereinbarung, statt. Als „offenes Angebot“ bevorzuge er "Gesprächsandachten", die er regelmäßig anbiete. Im Unterschied zum Gottesdienst sei der Ablauf dabei weniger stark festgelegt, sie fänden zweimal wöchentlich auf einzelnen Stationen statt.

Vertrauen schafft Selbstvertrauen

Wer an sich, seiner Umwelt und seinen Mitmenschen zweifelt, zweifelt häufig auch an Gott:
"Warum lässt Gott eine solch schreckliche Krankheit zu?" ist eine Frage, die Heike Schulze–Wegener, Marburger Klinikseelsorgerin in der Erwachsenen- und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, schon oft gehört hat. Sie versucht dann, den Patienten Selbstvertrauen zu vermitteln, über das auch neues Gottvertrauen entstünde. Heike Schulze-Wegener sieht sich als Begleiterin in religiösen wie auch in alltäglichen Dingen, der die Patienten vertrauen können: "Daher müssen wir das Gebot der Schweigepflicht sehr ernst nehmen." Dass die Patienten in einem ersten Schritt selbst initiativ würden, hält sie für wichtig: "Das gilt für ein Einzelgespräch, zum Beispiel im Anschluss an eine Stationsvollversammlung oder auch für den Konfirmandenunterricht, den ich für Jugendliche in der Anna-Freud-Schule anbiete. Nur so kann ich das Interesse registrieren." Gelegenheiten zu einer Kontaktaufnahme gäbe es zahlreiche: An einem Wochentag sowie an Festsonntagen fänden Gottesdienste statt, im Pflegeheim halte sie abwechselnd mit dem Pfarrer der Lukas–Kirchengemeinde Andachten. Auch im sensiblen Bereich des Maßregelvollzuges wagt sich Schulze-Wegener vor: Die wenigen jugendlichen Patienten im Maßregelvollzug, die in Marburg untergebracht sind, erhielten von der Pfarrerin Ethikunterricht, den sie für ihren Realschulabschluss benötigten.

Wie dem Kollegen Spies in Gießen ist Schulze-Wegener die Begegnung zwischen kranken und nicht-kranken Menschen wichtig, auch um noch immer vorhandene Tabuthemen aufzulösen. Bei sommerlichen "Gottesdiensten im Grünen" auf einem der psychiatrischen Klinik nahe gelegenen Gelände sollen Berührungsängste zwischen Patienten und Gemeindemitgliedern abgebaut werden. Wertvolle Erfahrungen habe sie auch in der "Biographiegruppe" der Gerontopsychiatrie sammeln können, der ältere, an Alzheimer oder Demenz erkrankte Menschen angehörten. Diese erinnerten sich nicht mehr an gestern und auch nicht an Familienmitglieder oder Freunde, häufig aber an ihre frühe Vergangenheit mit prägenden Ereignissen wie Hochzeit oder Flucht. Das Angebot der "Biographiegruppe" trage dazu bei, Teile des Lebens der Erkrankten in der Erinnerung wach zu halten.

Zurückhaltung aufbrechen

Auch bei der Arbeit des katholischen Pastoralreferenten Stefan Bug, der wie Schulze-Wegener in der Marburger Klinik tätig ist, sind die Gespräche Hauptaufgabe. Von ihm erfahren wir, dass Klinikseelsorge sehr wichtig sei, da die Patienten mit dem Geistlichen einen klinikunabhängigen Gesprächspartner vor sich hätten. "Die Patienten schätzen die Vertraulichkeit, die sie zum Seelsorger entwickeln können, da dieser nicht in die Klinikstruktur eingebunden ist", sagt Bug. Seit Jahren biete er Montag nachmittags eine feste Sprechstunde an, zu der Patienten ohne vorherige Terminvereinbarung vorbeikommen könnten, zusätzlich vereinbare Bug aber auch auf Wunsch Termine. Im Gespräch mit LWV-Info bedauert Bug, dass es im forensischen Bereich wenig Präsenz von katholischen Pfarrern gäbe. Das läge daran, dass einerseits die Klinikleitung nicht danach rufe und andererseits auch keine katholischen Pfarrer für die Seelsorge in diesem Bereich zur Verfügung stünden.

An anderer Stelle sind Klinikseelsorger auch im Maßregelvollzug, also in Kliniken für forensische Psychiatrie, präsent. Der evangelische Pfarrer Peter Kittel hat eine halbe Stelle als Klinikseelsorger in der forensischen Klinik in Haina, daneben ist er auch Gemeindepfarrer. "Thema in den Gesprächen mit Patienten des Maßregelvollzugs ist häufig die fehlende Zukunftsperspektive der Patienten. Anders als in einer Justizvollzugsanstalt wissen die Patienten oft nicht, wie lange sie in der Einrichtung bleiben müssen", beschreibt Kittel eine einschlägige Gesprächssituation. Sie fühlten sich von den ärztlichen Begutachtungen abhängig. Kittel kennt Patienten, die bereits seit über 20 Jahren in der Einrichtung seien. In der Forensik sei es schwieriger, die Patienten für ein Gespräch aufzuschließen. Kittel versucht, dieser Zurückhaltung dadurch zu begegnen, dass er die Schwelle eines ersten Kontaktes möglichst gering halte und ergänzend dazu in Gruppen mit Patienten zusammenkäme. So gäbe es einen "Biblischen Gesprächskreis" und eine "Singgruppe". Auch dort entstünden Kontakte mit den Patienten.

Tanja Partosch/(jda)