Logo LWVblog

"Es soll weiterhin einen LWV geben" – Reform-AG über sozialen Dienstleister startet mit Fragen zur Aufgabenstellung und ihrer Finanzierung

Aus einer Debatte über die Zukunft der Einrichtungen wurde schnell eine Diskussion über den LWV schlechthin. Mancher Wortmeldung der letzten Monate war zu entnehmen, dass sie zwar eine Meinung transportierte, der aber fehlte mitunter die Tiefenschärfe.

So war davon die Rede, der LWV solle seine großen Behinderteneinrichtungen abschaffen – dabei betreibt er solche gar nicht. Da war zu hören, dass über die Verbandsumlage defizitäre Kliniken subventioniert würden – dabei kommen alle vom LWV geführten Zentren für Soziale Psychiatrie seit Jahren ohne Trägerzuschuss aus. Da lebte die alte Mär vom „Sozialriesen“ und Bürokratiemoloch LWV wieder auf – dabei ist der LWV längst ein schlanker sozialer Dienstleister mit einem bemerkenswert niedrigen Personal- und Sachkostenanteil. Häufig genug wurde nicht einmal zwischen den Aufgaben des überörtlichen Sozialhilfeträgers und denen des LWV als Einrichtungsträger unterschieden.

Worum geht es bei der Reformdiskussion im Kern?

Bei den ZSP und den anderen Kliniken in Trägerschaft des LWV geht es um die Frage der Zukunftsfähigkeit. Wettbewerb, wachsende Qualitätsanforderungen und Konsequenzen der Gesundheitsreform setzen alle Kliniken, so auch die der LWV-Unternehmensgruppe, unter einen zunehmenden Kostendruck. Schwarze Zahlen in der Gegenwart bedeuten nicht automatisch Überlebenssicherheit in den kommenden Jahren. Krankenhausexperten erwarten einen weiteren Abbau von Betten und Plätzen und in der Folge auch eine „Marktbereinigung“. Dies trifft solche Kliniken, die auf den Verdrängungswettbewerb nicht ausreichend vorbereitet sind. Darauf haben die Klinikleitungen, darauf hat der LWV mit Verbandsspitze und Selbstverwaltungsgremien schon 2003 mit Vorschlägen für ein Zukunftskonzept reagiert. Die Modernisierung der Kliniken ist ein Dauerthema seit vielen Jahren. Weitere wichtige Hinweise werden sich aus den zusätzlich eingeholten Gutachten zur Zukunft der LWV-Unternehmensgruppe ergeben, die in den kommenden Wochen und Monaten in den Gremien beraten werden sollen.

Bei den „hoheitlichen Aufgaben“ des LWV geht es um die Fragen: Wie viel wird und wie viel darf Behindertenhilfe in Hessen kosten? Wie entwickelt sich der Bedarf bis ins nächste Jahrzehnt? Werden diese Aufgaben künftig effizienter und effektiver zentral oder dezentral wahrgenommen? Wie lassen sich gleichwertige Lebensverhältnisse für Menschen mit Behinderungen in allen Landesteilen auch künftig gewährleisten?

Von kommunalen Repräsentanten vor Ort war die Kritik zu hören, durch die Verbandsumlage, die der LWV zur Finanzierung seiner Aufgaben erhebt, werde den Landkreisen und kreisfreien Städten die Luft zum Atmen genommen, dem LWV fehle ein ausreichendes Kostenbewusstsein, schöpfe Einsparungspotentiale nicht genügend aus. Unbeachtet bleibt dabei, dass der LWV – über Jahre getragen von einer großen, parteiübergreifenden Mehrheit in seinen Gremien – Reformmaßnahmen ergriffen hat, die spürbare kostendämpfende Wirkung entfalten, und dies sowohl im binnenorganisatorischen Gefüge als auch bei den fachlichen Standards, die mit den Mitgliedsorganisationen der freien Wohlfahrtspflege verhandelt und vereinbart werden. Dass sich die Kosten für gesetzliche Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben nach oben entwickeln, liegt zweifelsohne nicht an einem mangelnden Kostenbewusstsein des LWV, sondern an einer bundesweit feststellbaren Steigerung der Fallzahlen als Folge der demografischen und der medizinischen Entwicklung. Daran würde jede Aufgabenverlagerung überhaupt nichts ändern. Durchgreifende Lösungen müssen an der nach wie vor ungerechten Finanzierung der als „Sozialhilfe“ definierten Eingliederungshilfe ansetzen. Längst ist sie keine – von den Kommunen aufzubringende – Fürsorge mehr. Dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe müssen sich auch Bund und Land stellen.

Reformen im Konsens eingeleitet

Diese Erkenntnisse und das aus diesem Wissen entwickelte Reformprogramm der vergangenen Jahre waren in den LWV-Gremien stets von großer Übereinstimmung getragen. Die parteiübergreifende Übereinstimmung drückte sich nicht zuletzt in den Abstimmungen über die Haushaltspläne aus: 2000 und 2001 votierten jeweils SPD, CDU, FWG und FDP für den Haushaltsplan. Dagegen stimmten in diesen beiden Jahren die Grünen, 2000 auch die Republikaner. 2002 bis 2004 wurden die Haushaltspläne sogar einstimmig verabschiedet. Ähnlich große Mehrheiten gab es bei den Vorlagen für die Haushaltseckwerte. In der Beurteilung, ob der bisher gemeinsam gegangene Reformkurs für die Zukunft fortgesetzt werden soll, gehen die Fraktionen in der Verbandsversammlung in jüngster Zeit nicht mehr von dieser Übereinstimmung aus, jedenfalls wenn man die öffentliche Debatte der vergangenen Wochen zugrunde legt.

Der LWV Hessen wurde vor 52 Jahren durch den Hessischen Landtag im „Mittelstufengesetz“ gegründet. Sollen Aufgabenzuweisungen geändert werden, müssen sie durch Landesgesetz beschlossen werden. Um einen Reformbedarf auszuloten, hat die Hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger auf Vorschlag von drei Fraktionen in der Verbandsversammlung, der CDU, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit diesem Thema befassen soll. Mitglieder der Arbeitsgruppe, die von Gerd Krämer, Staatssekretär im Sozialministerium, geleitet wird, sind Vertreter der Hessischen Staatskanzlei, des Finanzministeriums, des Innenministeriums sowie des Sozialministeriums, der Kommunalen Spitzenverbände und des LWV. Neben den beiden hauptamtlichen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses, dem Landesdirektor und dem Ersten Beigeordneten, gehören der Präsident der Verbandsversammlung sowie die fünf Fraktionsvorsitzenden des Hessischen Sozialparlaments der Arbeitsgruppe an. Die Arbeitsgruppe soll sich allerdings nicht mit der Einrichtungswelt des LWV beschäftigen, hatte die Ministerin von vornherein angekündigt. Dies müsse der Verband in eigener Zuständigkeit tun. Die Arbeitsgruppe soll im April 2005 Ergebnisse vorlegen.

LWV kein Sanierungsfall

Der Ständesaal war proppenvoll, alle Plätze schnell belegt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter drängten sich am Rand des Saales, als Landesdirektor Lutz Bauer und Erster Beigeordneter Uwe Brückmann Ende Januar zur „Zukunft des Landeswohlfahrtsverbandes“ informieren wollten, wohl die „erste Mitarbeiterversammlung in der Geschichte des LWV“, wie Petra Feldner-Nuhn, Vorsitzende des Personalrates der Hauptverwaltung, später bemerkte. So war es dem LWV-Chef wichtig, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ob der Irritationen im Verlauf der jüngsten Debatten Mut zu machen, denn, so war sich Bauer sicher: „Der LWV kann mit dem Geld der hessischen Bürgerinnen und Bürger gut umgehen.“ Wenn nun aus vielen Richtungen gleichwohl nach einer Reform des LWV gerufen werde, hieße das wohl „Eulen nach Athen tragen“: Schließlich habe der LWV seit Jahren durchgreifende Reformen eingeleitet, „die bereits deutlich spürbare Wirkung entfalten“. Der LWV sei kein Sanierungsfall, hingegen müsse endlich das strukturelle Problem der unsolidarischen, weil nahezu ausschließlich die Kommunen belastenden Finanzierung der Eingliederungshilfe angegangen werden. Der LWV habe sich in der Vergangenheit zu keiner Zeit einem vernünftigen Reformvorschlag verweigert. Nun aber müssten die LWV-Kritiker erklären, was sie unter Reform verstünden. In der Verlagerung der Eingliederungshilfe auf die Landkreise und kreisfreien Städte sieht der LWV-Chef weder einen wirtschaftlichen, noch einen sozialpolitischen Vorteil: „Dann müssten im LWV Hessen optimierte Strukturen für die Behindertenhilfe statt einmal durch den LWV 26-mal im Land durch Kreise und Städte vorgehalten werden.“
Chancen, die für den Verband darin liegen, selbst mit am Tisch zu sitzen, hob der Erste Beigeordnete Uwe Brückmann hervor. Er gehe mit der Erkenntnis in die Gespräche: „Nur was sich ändert, bleibt bestehen.“ Bisher hätten die Beteiligten – dies gelte auch für die Kommunalen Spitzenverbände – vor allem Fragestellungen vorgelegt, die Arbeitsgruppe im Sozialministerium habe ihre Beratungen „ergebnisoffen“ aufgenommen. Er gehe, so der Erste Beigeordnete, zumindest von einer Übereinkunft aus: „Es soll auch weiterhin einen LWV geben.“ (jda)



Vorbild Baden-Württemberg?

In Baden-Württemberg sind die beiden Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern mit Wirkung zum 1. Januar 2005 aufgelöst worden. Die Einzelfallhilfe für Menschen mit Behinderungen ging an die 44 Stadt- und Landkreise des südlichen Bundeslandes über, übergeordnete Aufgaben nimmt ein neu gegründeter Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) mit rund 400 Beschäftigten wahr. Hauptsitz ist die Landeshauptstadt Stuttgart. Durch den KVJS erhalten die Jugend- und Sozialämter der Land- und Stadtkreise einen Jugend- und Sozialhilfeservice. Der Verband wirkt an den Verhandlungen über Entgelte für die teil- und vollstationären Pflege-, Jugend- und Eingliederungshilfe-Einrichtungen mit. Weiterhin hat er kreisübergreifende Aufgaben der Sozialplanung, erprobt Modellprojekte und beaufsichtigt Kindertagesstätten und Jugendheime. Auch das Integrationsamt gehört zum KVJS und hat seinen Sitz in Karlsruhe eingenommen. Schließlich obliegen dem KVJS Aufgaben der Kriegs- und Gewaltopferfürsorge.

Die Auflösung der beiden LWVs war in Baden-Württemberg Teil der durch den Landtag beschlossenen Verwaltungsreform und blieb nicht ohne Kritik: So war der Baden-Württembergische Gemeindetag als einer von drei Kommunalen Spitzenverbänden der Auffassung, dass die Aufgaben der Einzelfallhilfe durch die Land- und Stadtkreise nicht wirtschaftlicher erledigt werden könnten. An anderer Stelle hieß es, das „Fusionsmodell“ eines Zusammenschlusses der beiden LWVs zu einem landesweiten LWV sei nicht näher untersucht worden, die Landesregierung habe vorschnell auf das „Eingliederungsmodell“ der Aufgabenübertragung an die Landkreise gesetzt. Aus den Reihen der Behindertenorganisationen war die Befürchtung zu hören, dass die mit der Verwaltungsreform angestrebten funktionalen Ziele gültige soziale Prinzipien überlagern und deformieren könnten.

Doch nicht nur in Hessen und in Baden-Württemberg wurde bzw. wird über die Zukunft „Höherer Kommunalverbände“ diskutiert, auch in Bayern ist angesichts kommunaler Finanznot und steigendem Finanzbedarf bei der Eingliederungshilfe erneut eine Diskussion über die sieben Bezirke entbrannt, die ein dem LWV vergleichbares Spektrum sozialer Aufgaben wahrnehmen. Kritik an den Bezirken kommt auch hier vornehmlich aus den Landkreisen, die deutliche Umlagesteigerungen für 2005 zu verkraften haben. Pikanterie am Rande: In der bayerischen Debatte wurde auch der Reformvorschlag genannt, anstelle der sieben Bezirke einen landesweit agierenden Landeswohlfahrtsverband zu gründen, um die Aufgaben aus einer Hand kostengünstiger organisieren zu können. (jda)



LWV-Reformbilanz – Schritt für Schritt mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit

  • Die hierarchische, klassisch-behördliche Aufbauorganisation wurde durch Zielgruppen- und Regionalmanagements mit eigener Budgetverantwortung und zielgruppenorientierter Steuerung ersetzt.

  • Die Querschnittsaufgaben werden durch die Servicebereiche als interne Dienstleister wahrgenommen. Hier gilt ebenfalls der Grundsatz der Budgetverantwortung. Die Kosten- und Leistungsrechnung stellt wirtschaftliches Verhalten sicher.

  • Das für den LWV konzipierte DV-Verfahren ANLEI sichert die kosten- und ergebnisoptimierte Steuerung der Einzelfallhilfe, ermöglicht ein bürgernahes Verwaltungshandeln, bietet die Grundlage für das betriebliche Controlling – und hilft steigende Fallzahlen zu bewältigen.

  • Mit einem DATA-Warehouse werden die Sozial- und Finanzdaten zur Steuerung der Behindertenhilfe unter fachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernetzt. Ein betriebswirtschaftliches Controlling zur Sozialkosten- und Haushaltssteuerung liefert Selbstverwaltungsgremien und Management Informationen für die Steuerung von Kosten und Prozessen. Allein in den Jahren 2001 bis 2003 wurden 23,76 Mio. Euro als reformabgeleitete Einsparung erzielt.

  • Durch ein Benchmarking vergleicht sich der LWV mit anderen überörtlichen Sozialhilfeträgern. Im Betreuten Wohnen ist der LWV bundesweit Spitze: Die Ausgaben für das Wohnen für Menschen mit Behinderungen in Hessen konnten durch das Betreute Wohnen spürbar gesenkt werden. Gegenüber der Heimunterbringung ergibt sich eine jährliche Einsparung von 59 Mio. Euro (Stand: 2003)

  • Durch ein LWV-Benchmarking werden künftig innerhalb der hessischen Trägerlandschaft Steuerungspotentiale erfasst und analysiert. Es schafft die Voraussetzung für ein „Einrichtungsranking“ - ein hessenweiter Gesamtüberblick der Angebots- und Vergütungsstrukturen für die Bereiche Wohnen und Werkstätten für behinderte Menschen. In Vergütungsverhandlungen kehrt mehr Transparenz ein.

  • Benchmarking, Einrichtungsranking und andere Instrumente tragen dazu bei, die Einrichtungen in Vergütungsverhandlungen auf Kostendämpfung zu orientieren und damit den erfolgreichen, und einvernehmlichen Kurs der vergangenen Jahre fortzusetzen: Dort konnten Steigerungsraten deutlich unterhalb der Marge von Personalkostensteigerungen vereinbart werden.

Nächste Reformschritte:

  • Gesamtplanverfahren sollen die Einzelfallsteuerung im Bereich des vollstationären Wohnens verbessern. Dazu will der LWV – unter maßgeblicher Beteiligung der betroffenen Menschen - schrittweise individuelle Gesamtpläne einführen und diese in Hilfeplankonferenzen abstimmen.

  • Zur Einführung des Persönlichen Budgets sind in einem ersten Schritt Modellprojekte vorgesehen, an denen sich der LWV beteiligen will.

  • Durch Einrichtungsbudgets sollen stationäre und ambulante Wohnangebote durchlässiger gestaltet werden. Ziel ist es, ambulante Formen zu stärken. Einrichtungsbudgets bieten ein Anreizsystem für Einrichtungsträger, da für einen bestimmten Zeitraum ein festes Finanzvolumen zur Verfügung gestellt wird. Bereits jetzt laufen unter dem Titel „Wohnen im Verbund“ mehrere Pilotprojekte.

  • Ein „Maschinelles Abrechnungssystem mit Einrichtungen (MASS)“ soll künftig den Datenaustausch zwischen LWV und den Einrichtungsträgern erleichtern. Ziel ist hier, Leistungen zeitgerechter, einfacher, weniger personalintensiv und komfortabler abzurechnen. (jda)