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Alois Alzheimer:

Die lange Karriere eines Namens

Die lange Karriere eines Namens

Alois Alzheimer:

Wie heißen Sie?“ „Auguste“; „Familienname?“ „Auguste“ – So befragte der Frankfurter Psychiater und Neurologe Alois Alzheimer im Jahr 1901 seine Patientin Auguste D. und beschreibt an ihrem Beispiel zum ersten Mal die Alzheimersche Demenz.
Ende des Jahrhunderts ist der Name Alzheimer weltbekannt und steht für eine Krankheit, die unser Gesundheitssystem in Zukunft auf eine ernste Probe stellen wird. Alzheimers Todestag jährt sich am 19. Dezember zum 90. Mal. Dies und die Nähe Alzheimers zum Waldkrankenhaus Köppern waren für LWV-Info Anlass, einmal dem Lebenslauf Alzheimers und der nach ihm benannten Krankheit nachzugehen.

Vom Schuljungen bis zum Oberarzt

1864 erblickt Alois Alzheimer das Licht der Welt im unterfränkischen Marktbreit, wo er die Grundschule besucht und sein Vater die notable Stelle eines „Königlichen Notars“ ausübt. Die fränkische Provinz reicht dem nach Bildung strebenden Jungen nicht aus: Um eine bessere Schulausbildung zu erhalten, zieht der zehnjährige Alois nach Aschaffenburg und besucht dort das humanistische Gymnasium. Seine Familie soll ihm später nachfolgen. Nach dem Ende seiner Schulausbildung strebt er ein Studium an, doch die Wahl des Faches und der Universität machen ihm zunächst zu schaffen. Berlin ist im ausgehenden 19. Jahrhundert das Mekka der Medizin und so beginnt Alzheimer 1884 dort ein Medizinstudium. Später wechselt er nach Würzburg und Tübingen und wieder zurück nach Würzburg. Schon früh entdeckt er seine Leidenschaft für das Mikroskopieren. Das Mikroskop wird später für ihn das entscheidende Instrument seiner Promotion: In einer mikroskopisch-anatomischen Arbeit untersucht er die Ohrenschmalzdrüsen. Sein Staatsexamen beschließt er schließlich mit der Note „Sehr gut“.
Doch nicht nur die Anatomie reizt Alzheimer: Auf einer Reise lernt der junge Mediziner eine Dame näher kennen, die eine psychische Erkrankung hat. Für Alzheimer ein nachhaltiges Erlebnis: Er wird 1888 Assistenzarzt an der „Frankfurter Anstalt für Irre und Epileptiker“, die von dem bekannten Psychiater Emil Sioli geleitet wird. Dort arbeitet er - nachdem er bereits einen harten Arbeitstag in der Klinik hinter sich gebracht hat –mit seinem Freund und Kollegen Franz Nissl oft bis tief in die Nacht an mikroskopischen Untersuchungen des zentralen Nervensystems. Sein Fleiß wird belohnt: 1895 erfolgt die Beförderung zum Oberarzt an derselben Klinik.

Das Jahr 1901 und die Konzentration auf die Wissenschaft

1901 ist Alzheimers Schicksalsjahr: Seine geliebte Frau Cecilie stirbt. Trotz seiner Kinder wird er nie wieder heiraten. Noch im selben Jahr untersucht er Auguste D., die Patientin, an der er erstmals die „eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“ beschreibt, seine größte Entdeckung. Auf sein und Siolis Betreiben hin wird außerdem das Waldkrankenhaus Köppern als Zweigstelle der Frankfurter Anstalt gegründet. Ob Alzheimer selbst in der damaligen Zweigstelle Köppern tätig war, ist gut möglich, aber nicht belegt. In Köppern werden zu dieser Zeit Alkoholkranke aus Frankfurt mit landwirtschaftlicher Arbeit beschäftigt und mit „kräftiger Kost“ ernährt, wovon man sich eine Besserung ihres Gesundheitszustands verspricht. Bewusst verzichtet Sioli auf die damals üblichen Fenstergitter und Zäune. Dass Alzheimer ein großer Kenner der Alkoholabhängigkeit ist und sie häufig behandelt hat, kann als gesichert gelten. 1902 folgt Alzheimer seinem Interesse an der Forschung und wird wissenschaftlicher Assistent in Heidelberg bei Emil Kraepelin, damals Deutschlands bedeutendster Psychiater. Im darauffolgenden Jahr geht Alzheimer mit Kraepelin nach München an die dortige Psychiatrische Klinik und übernimmt das Hirnanatomische Laboratorium. Ein Jahr später habilitiert er sich. Mit seinem bekannten Vortrag „Über eine eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“ macht er 1906 erstmals die von ihm entdeckte Demenz einem Fachpublikum bekannt. Später erhält sie auf Vorschlag Kraepelins die Bezeichnung Alzheimersche Krankheit. Der Vortrag selbst stößt damals jedoch kaum über den engen fachlichen Kreis hinaus auf Interesse. 1912 erhält Alzheimer einen Ruf als ordentlicher Professor für Psychiatrie an die Friedrich-Wilhelm-Universität in Breslau. Doch steht seine Professur in Breslau unter einem unglücklichen Stern: Schon bei Dienstantritt ist er krank und leidet bei geringsten Anstrengungen unter Atemnot und Herzbeklemmungen. Sein ehemaliger Chef Kraepelin erkennt bei ihm eine infektiöse Angina mit Nephritis und Gelenkentzündung. Auch ein Kuraufenthalt in Wiesbaden 1913 bringt keine dauerhafte Besserung. Im Jahr 1915 leidet er unter qualvollen Herzbeschwerden und verstirbt schließlich am 19. Dezember desselben Jahres im Kreise seiner Familie. Seine letzte Ruhe findet Alzheimer neben seiner Frau Cecilie auf dem Frankfurter Hauptfriedhof. Erst nach dem Tod des Mediziners und Wissenschaftlers beginnt die lange Karriere seines Namens. (cgy)/(jda)


Eine informative und gut lesbare Biografie Alzheimers enthält das Buch von Konrad und Ulrike Maurer: Alzheimer – Das Leben eines Arztes und die Karriere einer Krankheit, München 1998.



Ursachen und mögliche Gegenmittel

Rita Hayworth litt daran, ebenso wie Ronald Reagan und Herbert Wehner: Alzheimer. Ihr Schicksal machte auf eine Krankheit aufmerksam, die eine große und offenkundig weiter wachsende Zahl von Menschen trifft: „Rund 1 Million Menschen leiden in Deutschland an dieser Demenzerkrankung, die meist im hohen Alter ausbricht, aber auch schon 50-Jährige treffen kann“, sagt Dr. Burkhard Struwe. Er leitet die gerontopsychiatrische Abteilung an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Emstal-Merxhausen. Unauffällig fängt es an. Die Patienten können sich keine Zahlen mehr merken und wiederholen gerade gesprochene Sätze. Wenn die Patienten Glück haben, bleibt es bei dieser „mild cognitive impairment“ (leichte kognitive Beeinträchtigung), der Vorstufe von Alzheimer. Wenn sie kein Glück haben, kommen in der ersten Phase der Alzheimer-Demenz noch nachlassende Urteilsfähigkeit, Orientierungsschwierigkeiten und häufige Geistesabwesenheit hinzu. In der zweiten Phase der Demenz beginnt der „Abschied vom Ich“. Die Patienten erkennen ihre Angehörigen nicht mehr, können nicht mehr selbstständig essen und trinken, werden inkontinent und können ihren Stuhlgang nicht mehr kontrollieren. Jetzt ist der geistige und körperliche Verfall offensichtlich. Die dritte Phase kann fünf und mehr Jahre andauern. Der Patient ist dann auf die Intelligenz eines Säuglings zurückgefallen. Am Ende sterben die Patienten an Folgeerkrankungen wie Lungenentzündung oder anderen Infektionen. Mit dem Fortgang der Krankheit wächst der notwendige Hilfebedarf bis hin zur permanenten Betreuung. Pflegende Angehörige können dies, auch bei Unterstützung durch ambulante Dienste und Selbsthilfegruppen, kaum noch leisten.



Behandlung und Diagnose von Alzheimer heute

Wirksame Medikamente gibt es bis heute nicht. Alzheimer ist nicht heilbar, man kann lediglich den weiteren Krankheitsfortschritt verzögern. Dies erreicht man durch „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“, geistige Betätigung und mit einigen Medikamenten, die allerdings nicht die eigentliche Krankheitsursache bekämpfen. Dies sind sogenannte Acetylcholinesterase-Hemmer, die den Abbau eines Botenstoffs im Gehirn verzögern. „Die Symptome der Erkrankung kann man damit etwa zwei Jahre hinausschieben“, so Struwe. Ein weiteres Problem ist die Diagnose. Meist wird Alzheimer erst erkannt, wenn die Krankheit schon relativ weit fortgeschritten ist. „Die Erkrankung dauert etwa 30 Jahre, wird aber erst nach ca. 20 Jahren auffällig“, sagt der Kasseler Gerontopsychiater. Als gut zu handhabende Untersuchungsverfahren gibt es den Uhrentest und den „mini-mental-state“-Test. Mit ihnen kann auch der Hausarzt eine erste Diagnose stellen. Wird er fündig, überweist er an den Neurologen, der dann nach dem Ausschlussprinzip arbeitet. Können Schlaganfälle, Durchblutungsstörungen oder Parkinson ausgeschlossen werden, stellt der Facharzt die Diagnose Alzheimer.



Hoffnung auf neue Medikamente und Impfstoffe

So verzweifelt die Lage für die Patienten und Angehörigen heute noch ist, so viel besser könnte ihre Situation in Zukunft sein, denn die Neurobiologie und mit ihr die Alzheimer-Forschung machen Fortschritte. Immer deutlicher zeichnet sich das Bild von den Krankheitsursachen ab: Auslöser für den Tod der Nervenzellen ist wahrscheinlich eine biochemische Kaskade, die außerhalb der Nervenzellen beginnt und in ihrem Inneren endet. Im Verlauf dieser Kaskade bilden sich die „Plaques“ (Ansammlung abgestorbener Nervenzellen), die schon Alois Alzheimer in der Hirnrinde seiner Patienten fand. Seitdem die Wissenschaftler die am Krankheitsprozess beteiligten Enzyme kennen, haben sie mit der Suche nach Medikamenten begonnen, die möglichst frühzeitig die krankmachende Kaskade stoppen sollen. Gleichzeitig arbeiten Forscher an einem neuen Impfstoff, der bei Patienten die Demenz schon ein Jahr gestoppt hat. Problematisch sind allerdings die Nebenwirkungen, weshalb die Impfstudie gegenwärtig gestoppt ist. An der Verbesserung dieses Impfstoffs wird momentan gearbeitet. Wann man dieser tückischen Erkrankung medikamentös den Kampf ansagen kann, bleibt deshalb auf absehbare Zeit offen. Gelingt den Wissenschaftlern in den nächsten Jahren kein entscheidender Durchbruch im Kampf gegen Alzheimer, droht dem Gesundheitssystem eine weitere Schieflage: Mit der Alterung der Gesellschaft nimmt die Zahl der Alzheimer-Patienten seit Jahren dramatisch zu: „In zehn bis fünfzehn Jahren haben sich die Fallzahlen verdoppelt“, weiß Struwe. (cgy)/(jda)