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"Aus der Geschichte lernen " - Großes Interesse bei der Tagung zur Heimerziehung

Großes Interesse bei der Tagung zur Heimerziehung

 

Der Aufarbeitung der Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren, aber auch den heute zu ziehenden Schlussfolgerungen widmete sich im Juni eine Tagung, die rund 260 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Idstein führte. Unter den Teilnehmern der Tagung – Veranstalter waren neben dem LWV die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen e. V. (IGfH) und das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL – befanden sich zahlreiche ehemalige Heimkinder, die LWV-Landesdirektor Uwe Brückmann besonders herzlich willkommen hieß. Beflügelt durch die Publikation des SPIEGEL-Redakteurs Peter Wensierski findet seit Monaten eine breite gesellschaftliche Debatte über die Heimerziehung in den Nachkriegsjahrzehnten statt, die durch autoritäre und repressive Formen geprägt war.

Am 5. April 2006 habe sich die Verbandsversammlung des LWV durch eine einstimmig angenommene Resolution bei den Heimkindern für die erlittenen Verletzungen und Demütigungen entschuldigt, leitete Brückmann die Veranstaltung ein. Mit der Entschuldigung wolle der LWV, soweit dies möglich sei, einen Beitrag leisten, Leid zu mindern. Dies, so der LWV-Chef weiter, sei jedoch nicht der erste Schritt des LWV zur Aufarbeitung: Als ein in der damaligen Zeit wichtiger nichtkonfessioneller Heimträger in Hessen habe er nach der kritischen gesellschaftlichen Debatte Ende der sechziger Jahre einschneidende Heimreformen umgesetzt. Rund 20 Jahre später wurde die Heimerziehung kritisch untersucht und 1988 durch eine umfangreiche Veröffentlichung dokumentiert. In den vergangenen zwei Jahren habe es mehrere Treffen und regelmäßige Kontakte mit früheren Heimkindern sowie eine intensive Zusammenarbeit mit dem „Verein ehemaliger Heimkinder“ (VEH) gegeben, sagte Brückmann. So konnte der VEH im Idsteiner Kalmenhof gegründet werden.

Die Heimerfahrungen hätten bei vielen Betroffenen seelische Schäden und Zerstörungen hinterlassen, führte Heinz-Peter Junge als Vertreter der ehemaligen Heimkinder aus. Zwar könne die ausgesprochene Entschuldigung zur Heilung von Wunden beitragen und ein Stück Selbstwert erwachen lassen, bei einer einmaligen Entschuldigung aber dürfe es nicht bleiben. Sie sei ein „kalter politischer Deckel“ auf einem brodelndem Topf. Junge forderte einen runden Tisch mit allen Verantwortlichen. Dieser müsse Mittel und Lösungen finden, die den Problemen der Betroffenen gerecht werden. (jda)


„Der Anstoß kam von den Heimkindern im Lande selbst. Denn wir reden ja nicht über ein historisches Problem! Es gibt wirklich Tausende von Menschen, die diese Zeit im Inneren verschlossen hatten, die, wenn überhaupt, bisher vielleicht nur in ihrem engsten Umkreis darüber geredet haben, nun aber, 30 Jahre nach den Geschehnissen, endlich darüber Öffentlichkeit herstellen wollen, um so ihre Probleme zumindest ansatzweise lösen zu können nach jahrzehntelangem Schweigen und Verdrängen.“

Peter Wensierski, Autor des Buches „Schläge im Namen des Herrn“


„Das heutige Kinder- und Jugendhilfegesetz ist eine konsequente strategische Antwort auf das, was wir im Sinne von kritischer Analyse und Erkenntnis aus der Vergangenheit ziehen konnten. Mit dem KJHG besteht seit den 90er Jahren die Möglichkeit, grundsätzlich mit den alten, vordemokratischen und autoritären Strukturen der Jugendhilfe insgesamt und insbesondere bei den Hilfen zur Erziehung Schluss zu machen.“

Dr. Hans-Ulrich Krause, Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen e. V.


Die Tagungsdokumentation ist ab Ende August erhältlich beim LWV-Servicebereich Öffentlichkeitsarbeit, Tel.: 05 61 / 10 04 – 20 60, E-Mail: iuk@lwv-hessen.de (Kostenbeitrag 8 Euro)