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Projekt AHA! Ehrenamt mal andersrum

Ralf Engel und Mutlu Celebi engagieren sich ehrenamtlich. Der Freiwilligendienst Volunta hat die jungen Leute mit einer geistigen Behinderung vermittelt.

 


 

Projekt AHA!
Ehrenamt mal andersrum

HÖCHST. Wenn von Ehrenamt die Rede ist, denken wir meist an Menschen, die unentgeltlich etwas für andere tun, zum Beispiel für Menschen mit Behinderung. Auf der Red-Rock-Ranch in Höchst im Odenwald engagieren sich Mutlu Celebi und Ralf Engel. Sie sind Menschen mit einer geistigen Behinderung und zeigen, dass es auch andersrum geht.

„Arbeit ohne Geld ist Hobby“, sagt Ralf Engel und lächelt verschmitzt. Es ist Freitagnachmittag. Engel ist am Morgen um sieben aufgestanden und hat schon den ganzen Tag gemeinsam mit anderen Menschen mit Behinderung in der Landwirtschaft auf dem Sonnenhof gearbeitet, einer Einrichtung der Nieder-Ramstädter Diakonie. Dem kräftigen Neunzehnjährigen sieht man an, dass er zupacken kann. „In der Landwirtschaft“, sagt er, „muss man stark sein. Ich kümmere mich um die Kühe und mache die Arbeit, die gemacht werden muss.“ Da kann es auch vorkommen, dass Ralf Engel mithilft, ein Kalb auf die Welt zu ziehen, das es allein nicht aus dem Leib der Mutter schafft. Es ist eine anstrengende Arbeit und jeder könnte es verstehen, wenn Ralf Engel darüber hinaus keine Lust hätte, noch mehr und nur für die Ehre zu arbeiten. Doch Hobby ist eben nicht Arbeit. „Ich find’s gut hier auf der Ranch.“ Sagt er und geht zu Markus, alias Mac Finster, um ihm beim Holz machen zu helfen. Finster führt die Ranch im ehemaligen Höchster Steinbruch gemeinsam mit seiner Frau Elise. Beide engagieren sich auch im gemeinnützigen Verein Worldcare, dessen Ziel die Errichtung von Natur- und Lebensschulen ist. Zur Familie gehören die sechsjährige Tochter Joyce, die Zwergziegen Flocki und Schnucki, die Shetlandponys Sammy und Gizmo sowie Australian Shepherd Jack. „Wir machen hier keine Beschäftigungstherapie“, sagt Mac Finster, „Mutlu und Ralf packen richtig mit an. Wir sind sehr froh, dass wir sie haben.“

Wenn die achtzehnjährige Mutlu Celebi auf der Red-Rock- Ranch ankommt, trinkt sie erst einmal einen Tee, bevor sie sich den Ponys widmet. Sie besucht noch die Förderschule und freut sich sehr auf jeden ihrer ehrenamtlichen Einsätze. „Mit den Tieren zu arbeiten, das macht mir richtig Spaß.“ So viel Spaß macht es ihr, dass sie schon mit ihrer Schulklasse auf der Ranch war, um zu zeigen, was sie hier alles tut. Ihr Engagement steckt ihre Mitschüler an; demnächst wird einer von ihnen in einem anderen AHA!-Projekt starten.

Der Heilpädagoge Jens Bucher leitet das AHA!-Projekt von Volunta, einem gemeinnützigen Tochterunternehmen des Deutschen Roten Kreuzes in Hessen. Volunta ist der größte Träger von Freiwilligendiensten wie dem Ökologischen Jahr und dem Sozialen Jahr. Jens Bucher ist es auch, der dafür sorgt, dass Mutlu Celebi und Ralf Engel zur Ranch kommen. Er holt sie von der Schule, der Arbeit oder dem Wohnheim ab und bringt sie nach dem Engagement wieder nach Hause.

KONTAKTE KNÜPFEN
24 Menschen mit Behinderung und unterschiedlichsten Begabungen im Alter von 18 bis 72 Jahren setzen sich aktuell im Projekt AHA! ein. Das startete im Sommer 2009 und ist in seiner Pilotphase auf drei Jahre angelegt. „Volunta hat mit dem Projekt auch für Menschen mit einer Behinderung, einer Lernschwierigkeit, die Möglichkeit geschaffen, Erfahrungen in realen ehrenamtlichen Tätigkeiten zu sammeln“, sagt Jens Bucher. „Anders als beispielsweise im Freiwilligen Sozialen Jahr bietet das AHA!-Projekt flexiblere Strukturen. Manche Teilnehmer engagieren sich drei Stunden pro Woche, andere an drei ganzen Tagen, je nachdem, wie es zum Beispiel ihre Erwerbsarbeit zulässt.“ Innerhalb eines sechsmonatigen ehrenamtlichen Praxiseinsatzes schafft das Projekt die Voraussetzung für das nachhaltige Engagement der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Bucher: „Es ist unser Ziel, dass die Leute auch nach Projektende weiter die Kontakte außerhalb ihres Lebens in Werkstätten und Wohnheimen haben können, die sie möchten.“ So wie Mutlu Celebi, die nun schon seit einem Jahr auf der Red-Rock-Ranch mithilft.

DER LWV UNTERSTÜTZT DAS PROJEKT
Der Landeswohlfahrtsverband Hessen unterstützt die Idee, die Menschen mit Behinderung in Kontakt mit Menschen ohne Behinderung bringt. Er zahlt den Werkstätten auch weiterhin die Kosten für den Werkstattplatz, wenn sie ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Beispiel einen halben oder ganzen Tag für ehrenamtliche Engagements freistellen. „Noch ist das Projekt für viele neu“, sagt Jens Bucher, „alle sind sich einig, dass Inklusion gut ist. Wir müssen nun gemeinsam daran arbeiten, dass alle Beteiligten die strukturelle Basis so gestalten, dass die Menschen mit Behinderung, die sich engagieren wollen, dies auch tun können.“ Jens Bucher selbst tut viel, um für die Projektteilnehmer genau die Einsatzorte und Aufgaben zu realisieren, die diese sich wünschen. Ob das ein Engagement für einen Fußballverein ist, eines in einem Altersheim oder das hier erwähnte auf der Ranch, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass es für alle Beteiligten passt. Vorschläge und Anfragen, die nichts mit sozialem Engagement zu tun haben, lehnt Jens Bucher konsequent ab. „Wer bloß jemanden sucht, der ihm den Hof kehrt, braucht bei AHA! nicht nachzufragen. Uns geht es darum, Menschen zusammenzuführen, die aus eigenem Entschluss und sehr gerne miteinander an einer sinnstiftenden Aufgabe arbeiten.“ Von diesen Menschen gibt es viele in unserer gemeinsamen Welt. Jens Bucher wünscht sich für die Zukunft mehr Flexibilität bei Arbeitgebern, zu denen auch die Werkstätten gehören. „Kaum einer wird bisher für das Ehrenamt freigestellt“, sagt er, „sicher ist das auch nicht in jedem Fall möglich. Doch dort, wo es ginge, sollten wir gemeinsam den Weg bereiten.“

Ralf Engel hat mittlerweile den Pullover voller Sägespäne. „Mir gefällt es hier“, lächelt er, „ich mach’ das mit dem Herrn Finster gerne. Noch besser wär’ es halt, wenn ich zwischen der Arbeit mit den Kühen und der Arbeit hier eine halbe Stunde auf die Couch im Wohnheim könnt’, aber die Zeit ist zu knapp.“ Ein großartiges Engagement im freiwilligen Amt, das Ralf Engel hier zeigt. Seinem Namen macht er damit alle Ehre.
Sigrid Krekel

Ansprechpartner: Jens Bucher
Telefon 06151 - 36065-29
jens.bucher@volunta.de