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Pressemitteilung

Das Besondere im Alltäglichen – BWF als Chance


25.09.2014

Kassel: „Das Besondere im Alltäglichen “, so lautet der Titel der 29. Fachtagung Begleitetes Wohnen in Familien (BWF), die vom 24. bis 26. September in Kassel stattfindet. Aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich treffen sich Fachkräfte, die Gastfamilien betreuen, in denen behinderte Menschen als Mitbewohner leben, zum Erfahrungsaustausch und zur Weiterbildung. Jeweils der Partner vor Ort – in diesem Fall die Vitos begleitende psychiatrische Dienste Kurhessen - richten die bundesweite Veranstaltung unter Beteiligung des LWV Hessen aus.


Ca. 200 Teilnehmer befassen sich in diesen Tagen unter anderem mit den Fragen: Was ist das Besondere im Alltäglichen in Bezug auf BWF? Warum ist das Konzept so erfolgreich? Sind es die Familien, die besondere Betreuungsform, die persönlichen Begegnungen? Wie gehen die Familien mit dem Ablösungsprozess der jungen behinderten Erwachsenen um? Wie begleiten sie sterbende Mitbewohner oder Mitbewohnerinnen? Wie können wir nach außen kommunizieren, welche Chancen und welche Erfolge durch das BWF Konzept ermöglicht werden? Und wie können wir getreu dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ neue Familien und Klienten für die Arbeit begeistern. Diese und andere spannende Themen stehen auf der Tagesordnung. Neben den Vorträgen werden eine Vielzahl von Workshops angeboten.

1997 initiierte der LWV das Begleitete Wohnen in Familien in Hessen, um behinderten Menschen, die damals in psychiatrischen Krankenhäusern lebten, eine Alternative zu bieten. Begleitet wurden die Familien von einem Fachdienst, der heute bei den Vitos begleitende psychiatrische Dienste Kurhessen in Bad Emstal angesiedelt ist. Inzwischen arbeitet der LWV als Kostenträger mit mehr als 40 Fachdiensten in Hessen zusammen.
„Das BWF in Hessen ist eine Erfolgsgeschichte“, stellt Ramona Spohr fest, die schon 1996 in die Vorbereitungen zur Umsetzung dieses Inklusionsprojektes eingebunden war. „Allerdings sind wir davon überzeugt, dass das BWF für weit mehr behinderte Menschen eine Alternative zur stationären Betreuung sein könnte.“

Der Fachdienst des BWF vermittelt seelisch oder geistig behinderte erwachsene Menschen (darunter auch Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen), die nicht allein oder in ihren eigenen Familien leben können und alternativ zu einem Leben im Heim die Integration in eine Gastfamilie suchen. Für die Betreuung erhält die Gastfamilie eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von 630 Euro im Monat. Hinzu kommen 300 Euro für den Lebensunterhalt. Bei behinderten Menschen mit geringem oder keinem Einkommen und ohne Vermögen übernimmt diese Kosten der LWV. Zurzeit wohnen 48 psychisch kranke Männer und Frauen in 28 Gastfamilien in Kassel und der Region, in ganz Hessen sind es 175 psychisch kranke oder geistig behinderte Männer und Frauen.

Zimmer mit Familienanschluss

Unter Begleitetem Wohnen in Familien (BWF) versteht man das gemeinsame Leben eines behinderten Menschen mit einer Gastfamilie. Dieser Rahmen soll ihm ermöglichen, alltagspraktische und soziale Kompetenzen zu erlangen, die sein Selbstbewusstsein und seine Selbstständigkeit stärken. Dazu gehört auch am Familienleben, z.B. Arbeiten im Haushalt und Garten, eventuell bei der Versorgung von Tieren, aktiv teilzunehmen. Die Gastfamilie stellt ein Zimmer oder Apartment zur Verfügung. Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen. Die Gastfamilien werden von professionellen Mitarbeitern (z.B. Fachkrankenschwestern, -pflegern für Psychiatrie) der Fachdienste in allen Fragestellungen unterstützt und begleitet. Für viele Klienten ist diese Betreuungsform eine gute Möglichkeit zur Teilhabe am sozialen Leben in der Region und gelebte Inklusion. „Wir unterstützen und begleiten die Familien in rechtlichen, fachlichen und finanziellen Fragen. Natürlich sind wir in Krisensituationen immer erreichbar“, erklärt Claudia Dondalski, Abteilungsleiterin des BWF-Fachdienstes. Die Fachdienste prüfen vorher sorgfältig, wer für eine solche Vermittlung in Gastfamilien geeignet ist. „Gerade für jüngere chronisch psychisch Kranke ist das Leben in einer Familie eine gute Chance der sozialen Eingliederung. Deshalb suchen wir Familien, die es sich vorstellen können, einem jungen behinderten Menschen ein neues Zuhause zu geben“, erklärt Dondalski.

Möglichkeit für älter werdende behinderte Menschen 

„Ich sehe in dieser Zeit, in der viele Menschen allein leben, das Begleitete Wohnen auch als eine Möglichkeit an, durch das Leben in einem gut funktionierenden Familienverbund Probleme, die das Alleinleben insbesondere für älter werdende behinderte Menschen mit sich bringt, aufzufangen,“ sagte Dr. Andreas Jürgens, Erster Beigeordneter des LWV Hessen, zur Begrüßung der Tagungsteilnehmer. „Dadurch können Selbsthilfepotentiale aktiviert und längst vergessene Fähigkeiten wieder entfaltet werden. Der Wohlfühlfaktor, der nur mit einer individuellen Lebensgestaltung einhergehen kann, ist nach meiner Auffassung ein wesentlicher Schlüssel dafür, dass behinderte Menschen in einer Familie oft problemloser betreut werden können als in einer stationären Einrichtung.“

Hintergrundinformation

Der Fachausschuss Betreutes Wohnen in Familien der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) wurde 1997 gegründet. Er ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Praktikern des BWF aus den Bereichen Psychiatrie, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit sonstigem Hilfebedarf. Gründungsziele waren unter anderem die Formulierung verbindlicher Mindeststandards für Belange des BWF bundesweit, ein Beratungsangebot für neue Teams und Einrichtungen des Betreuten Wohnen in Familien (früher Familienpflege) zu etablieren und Interessenten und Kostenträger beim Aufbau zu unterstützen sowie Sicherung und Weiterentwicklung fachlicher Qualität. 
Der Fachausschuss ist bundesweit der einzige Fachverband in diesem Arbeitsfeld und ist Mitveranstalter von jährlichen Fachtagungen zum Thema. Die Teams des BWF der einzelnen Bundesländer/ Regionen entsenden jeweils Regionalbeauftragte, die an den regelmäßigen Sitzungen (3 Mal im Jahr) teilnehmen und für den Informationsfluss zwischen Fachausschuss und den Teams vor Ort sorgen.


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