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Kalmenhof-Krankenhaus Idstein

Nutzung als Gedenk- und Bildungsort möglich


Mahnmal in Idstein für die Euthanasie-Opfer

Mahnmal in Idstein: Ein Steinrondell und ein Gedenkkreuz auf dem Gelände hinter dem ehemaligen Kalmenhof-Krankenhaus erinnern seit 1986 an die Euthanasie-Opfer. (Foto: Bettina Müller)

05.11.2020

Eltville/Kassel/Idstein (vitos/lwv): Nach vier Jahren intensiver Arbeit sieht das Gremium, das die zukünftige Nutzung des Kalmenhof-Krankenhauses in Idstein prüfen sollte, seine Arbeit als erfüllt an. Das Gremium solle aufgelöst und die Mitglieder von ihrer ehrenamtlichen Arbeit entbunden werden – dies wurde in der 13. Sitzung des Gremiums auf Vorschlag des Vorsitzenden, Idsteins Altbürgermeister Gerhard Krum, beschlossen.

"Das Gremium hat Erstaunliches in seinem vierjährigen Bestehen geleistet und ich bin allen Mitgliedern für ihre wertvolle Arbeit sehr dankbar", sagt der Geschäftsführer von Vitos Rheingau, Servet Dag. Dem Wunsch zur Entbindung der Gremien-Mitglieder von ihrer ehrenamtlichen Aufgabe komme Vitos Rheingau nach. "Meinen besonderen Dank möchte ich an Gerhard Krum richten. Er hat das Gremium auch durch herausfordernde Zeiten, in denen kontroverse Diskussionen geführt wurden, stets sehr gut geleitet und wurde dabei nie müde, auf den Kern unserer Arbeit hinzuweisen", so Dag weiter.

Empfehlungen an Vitos, LWV und Stadt Idstein

In der letzten Sitzung vor seiner Auflösung richtete das Gremium Handlungsempfehlungen zum künftigen Umgang mit dem Krankenhaus-Gebäude und dem Gräberfeld an deren Träger, Vitos Rheingau und Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen, sowie an die Stadt Idstein. Da auch nach intensiven Bemühungen keine Investitionspartner gefunden werden konnten, stellt sich Vitos nun selbst der Verantwortung. Angestrebt wird eine interne Lösung, bei der eine soziale Nachnutzung unter Beachtung eines Gedenk- und Bildungsortes möglich ist. Derzeit läuft eine Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse voraussichtlich im Frühjahr 2021 vorliegen werden.

Eine weitere Empfehlung des Gremiums ist, das bestehende Gräberfeld des "Kalmenhof-Friedhofs" genau abzugrenzen und einen Ort des würdigen Gedenkens zu schaffen. Der LWV hat schon 1984 auf dem Gräberfeld hinter dem Krankenhausgebäude eine Gedenkstätte für die im Kalmenhof ermordeten Kinder und für erwachsene Euthanasie-Opfer errichtet, die in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet wurden. Das Grundstück der Gedenkstätte ist und bleibt im Besitz des LWV. "Die genauen Ausmaße des Gräberfeldes zu kennen ist für den LWV vordringlich. Daher sind wir in Gesprächen mit dem Regierungspräsidium Darmstadt, dem Innenministerium und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge", betont Landesdirektorin Susanne Selbert. "Auf dieser Basis werden wir den Gedenkort neu gestalten."

Außerdem schlägt das Gremium vor, auf dem städtischen Friedhof einen von der Kriegsgräberstätte getrennten, eigenen Gedenkort zu schaffen. Dieser soll an die dort rund 300 und die rund 50 auf dem Jüdischen Friedhof beerdigten Euthanasie-Opfer erinnern. "Wir begrüßen die Empfehlungen, die erarbeitet wurden. Die Stadt Idstein hat bereits erste Gespräche mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aufgenommen und um einen Vorschlag für ein Gedenkkonzept auf dem städtischen Idsteiner Friedhof gebeten. Sobald konkrete und mit den zu beteiligenden Fachstellen abgestimmte Vorschläge vorliegen, werden wir diese in den städtischen Gremien beraten", so Bürgermeister Christian Herfurth.

Rund 700 Euthanasie-Opfer

Das Gremium war am 30. November vor vier Jahren gegründet worden, nachdem im Juli 2016 der von Vitos Rheingau zunächst beabsichtigte Verkauf des Kalmenhof-Krankenhauses durch eine Immobilienanzeige bekannt geworden war. Der Verkauf war in der Öffentlichkeit auf Widerstand gestoßen, weil die Immobilie während der nationalsozialistischen Diktatur als so genannte Kinderfachabteilung genutzt worden war – ein Euphemismus für Krankenhausabteilungen, in denen behinderte oder psychisch kranke Kinder im Rahmen des "Euthanasie"-Programms der Nationalsozialisten ermordet wurden. Im Kalmenhof-Krankenhaus, das in den 1920-er Jahren als Isolierstation für die Behinderteneinrichtung Kalmenhof erbaut worden war, starben zwischen 1941 und 1945 rund 700 Kinder. Ab 1969 wurde das Krankenhausgebäude als erste kinder- und jugendpsychiatrische Klinik Hessens genutzt. Seit 2007 steht die Immobilie leer und wurde wiederholt durch Vandalismus beschädigt.

Ausgangspunkt Forschungsauftrag

Zu Beginn der Gremienarbeit stand ein von Vitos Rheingau in 2017 an die Wissenschaftler Dr. Harald Jenner und Christoph Schneider ergangener Forschungsauftrag. Dessen Ergebnisse wurden 2018 öffentlich vorgestellt und veranlassten Vitos Rheingau dazu, Feststellungsgrabungen auf dem Krankenhaus-Gelände in Auftrag zu geben, die Klarheit über die Existenz möglicher Grablagen der im Kalmenhof ermordeten Menschen schaffen sollten. Die in 2019 und 2020 vorgenommenen Bodenuntersuchungen wurden ohne Grabfunde auf den privaten Grundstücken abgeschlossen. Die Feststellungsgrabungen wurden durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. und das Landesamt für Denkmalpflege und Hessen-Archäologie begleitet.


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