27.01.2021
Wiesbaden: "Die Morde des NSU, die Morde von Hanau und Halle, der Mord an Walter Lübcke, neuer Nationalismus, Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken, die Verächtlichmachung der Demokratie und ihrer Institutionen - Das sind die alten bösen Geister in neuen Gewändern", sagte Landtagspräsident Boris Rhein (CDU) zur Eröffnung der landesweiten Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus im Hessischen Landtag in Wiesbaden.
Rhein warnte davor, so zu tun, als wäre knapp 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom nationalsozialistischen Terror, von der Shoa und vom Massenmord an Millionen von Menschen schon alles erzählt. "Wir müssen wissen, was waren die Gründe, dass geschehen konnte, was geschah. Die Wahrheit ist: Viel zu wenig ist uns bekannt. Und im Übrigen – das ist uns bekannt – sind gerade einmal 0,5 Prozent derer, die in Vernichtungslagern tätig waren, durch die deutsche Justiz dafür zur Rechenschaft gezogen worden." An die Verbrechen von damals zu erinnern sei das Eine, sagte Rhein, doch angesichts eines wachsenden Antisemitismus und Rassismus reiche das allein nicht aus: "Wir müssen handeln", forderte der Landtagspräsident. "Wer ein freiheitliches, ein lebenswertes Land will, der muss einstehen, der muss aufstehen gegen Antisemitismus und Rassismus in jeder Form. Wir wollen und wir dürfen das nicht dulden in unserem Land."
Das Gedenkwort sprach im Anschluss daran Ministerpräsident Volker Bouffier. „Die Geschehnisse in Auschwitz und der millionenfache Mord von Juden sind Teil unserer deutschen Geschichte. Sie mahnen uns, wachsam zu sein gegenüber antisemitischen, rassistischen und diffamierenden Tendenzen und Strömungen“, erklärte Bouffier. Antisemitismus werde wieder präsenter, in wechselnden Ausdrucksformen – von vermeintlich harmlosen oder beiläufigen Bemerkungen bis hin zu aggressivem Verhalten und der Gewalt gegen Menschen. „Die Hemmschwellen insbesondere in den sozialen Medien sind deutlich gefallen und wir müssen alles tun, um Gleichgültigkeit zu überwinden und engagiert gegen diese Entwicklung auf allen Ebenen zu arbeiten.“
Als Hauptredner folgte Prof. Dr. Michel Friedman, der Geschäftsführende Direktor des Center for Applied European Studies (CAES) in Frankfurt am Main.
Zur rund einstündigen, gemeinsamen Gedenkveranstaltung von Hessischem Landtag, Hessischer Landesregierung, Hessischem Städtetag, Hessischem Städte- und Gemeindebund, Hessischem Landkreistag und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen waren Gäste wegen der Corona-Pandemie nicht zugelassen. Daher wurde ab 17.30 Uhr live aus dem Musiksaal des Hessischen Landtages auf die Homepage des Landtages sowie auf Facebook und auf Youtube gestreamt. Das "Malion Quartett" umrahmte die Gedenkveranstaltung musikalisch.
Der 27. Januar ist seit 1996 als "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" ein nationaler Gedenktag in Deutschland. Er erinnert an den 27. Januar 1945, jenen Tag, an dem die Rote Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau befreiten. Auschwitz-Birkenau war das größte Vernichtungslager des nationalsozialistischen Regimes. Zum Gedenken an den Holocaust und die Opfer erklärten im Jahr 2005 auch die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Gedenktag.