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Betriebsintegrierte Beschäftigungsplätze (BiB)

Ein Sprung mit Netz und doppeltem Boden

Der Sprung aus der Werkstatt in einen regulären Betrieb ist für Menschen mit Behinderung nicht einfach. Betriebsintegrierte Beschäftigungsplätze, kurz BiB, sollen dabei helfen. Wie, zeigt ein Beispiel aus dem Landkreis Gießen. 

Er zupft und rupft, was im Beet nichts zu suchen hat. Die Beikräuter, früher hieß das Unkraut, landen im Korb. Das ist so eine Arbeit, die Simon Schmidthöfer ungern macht. Lieber mäht er große Rasenflächen. "Da sehe ich am Ende des Arbeitstages, was ich geschafft habe." Sein Vorarbeiter Nils Schwantes schneidet derweil das Efeu, das über die Gehwegplatten wuchert.

Schmidthöfer und Schwantes gehören zum Gärtnerteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). 20 Männer sind zuständig für die Bepflanzung in offenen Innenhöfen, für die 70 Platanen hinterm Zeughaus, für Stauden und Blumen vorm Haupteingang, für die Beseitigung von tonnenweise Laub, neue Pflanzen, Bodendecker – kurzum: für sämtliches Grün der Uni, verteilt übers gesamte Stadtgebiet, außerdem für die Instandhaltung von Parkbänken, Fahrradständern, Mülleimern.

Nach guter Erfahrung ein zweiter BiB-Platz

Schmidthöfer arbeitet gern mit Schwantes zusammen. "Nils ist ein herzlicher Typ. Der fährt nicht aus der Haut, sondern bleibt ruhig und gelassen." Vor allem mache er keinen Druck. Damit, sagt Schmidthöfer, komme er schlecht zurecht. Er werde nervös, unkonzentriert, mache Fehler. Vermutlich sei das der Grund, warum er auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht gut klarkomme. Der 36-Jährige ist für die Gießener Universität ein Glücksfall. Für ihn wurde der erste Betriebsintegrierte Beschäftigungsplatz (BiB) eingerichtet. Die Erfahrungen sind so gut, dass ein zweiter Platz entsteht.

Ein Praktikum zum Ausprobieren

Ein BiB soll dazu verhelfen, dass Beschäftigte aus Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in den allgemeinen Arbeitsmarkt und damit auf eine sozialversicherungspflichtige Stelle wechseln. Los geht es mit einem Praktikum. Vier Monate lang hat Schmidthöfer die Arbeitsstelle ausprobiert. Aus dem Praktikum wurde ein BiB. Inzwischen ist es sein zweites Jahr an der Universität. Für Schmidthöfers Arbeit stellt die Lebenshilfe Gießen als Werkstattträger der Universität monatlich eine Rechnung. Zusammen mit seiner Erwerbsminderungsrente erhalte er fast so viel Geld wie seine Kollegen, sagt Schmidthöfer.

Hintergrund BiB

Neue Zielvereinbarung

Zurzeit gibt es in Hessen rund 1.600 Plätze für eine Betriebs­integrierte Beschäftigung. Bis Ende 2026 soll die Zahl auf mindestens 2.000 Plätze steigen. Dazu haben sich der Landeswohlfahrtsverband Hessen, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege und die Verbände privater Träger, unterstützt durch die LAG WfbM, in einer Rahmenziel­vereinbarung verpflichtet.

Ziel ist, Menschen mit Behinde­rungen den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ebnen. Konkret sollen jedes Jahr mindestens 50 Menschen aus den hessischen Werk­stätten für behinderte Men­schen (WfbM) in sozialver­sicherungspflichtige Beschäf­tigungsverhältnisse vermittelt werden.

Der Landeswohlfahrtsverband wird – als freiwillige Leistung zur Optimierung der Über­gänge aus WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – auch weiterhin die Personal­kosten der Fachkräfte für berufliche Integration bei den Werkstattträgern über­neh­men.

Die Rahmenzielvereinbarung, die eine vorherige Vereinba­rung ablöst, gilt seit dem 1. Januar 2023 und endet nach vier Jahren am 31. Dezember 2026. 

<a id="c11651" class="anchor"></a><div class="csc-default"><h2>Hintergrund BiB</h2><div class="body"><h3><b>Neue Zielvereinbarung</b></h3> <p class="bodytext">Zurzeit gibt es in Hessen rund 1.600 Plätze für eine Betriebs­integrierte Beschäftigung. Bis Ende 2026 soll die Zahl auf mindestens 2.000 Plätze steigen. Dazu haben sich der Landeswohlfahrtsverband Hessen, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege und die Verbände privater Träger, unterstützt durch die LAG WfbM, in einer Rahmenziel­vereinbarung verpflichtet. </p> <p class="bodytext">Ziel ist, Menschen mit Behinde­rungen den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ebnen. Konkret sollen jedes Jahr mindestens 50 Menschen aus den hessischen Werk­stätten für behinderte Men­schen (WfbM) in sozialver­sicherungspflichtige Beschäf­tigungsverhältnisse vermittelt werden. </p> <p class="bodytext">Der Landeswohlfahrtsverband wird – als freiwillige Leistung zur Optimierung der Über­gänge aus WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt – auch weiterhin die Personal­kosten der Fachkräfte für berufliche Integration bei den Werkstattträgern über­neh­men. </p> <p class="bodytext">Die Rahmenzielvereinbarung, die eine vorherige Vereinba­rung ablöst, gilt seit dem 1. Januar 2023 und endet nach vier Jahren am 31. Dezember 2026.&nbsp;</p></div></div>

Bildergalerie

Simon Schmidthöfer bei der Gartenarbeit
Simon Schmidthöfer fühlt sich wohl auf seinem BiB-Arbeitsplatz im Gärtnerteam der Uni Gießen. (Fotos: Rolf K. Wegst)Bild vergrößern
Porträt Simon Schmidhöfer
Simon Schmidhöfer: "Arbeitsplatz mit der richtigen Balance gefunden."Bild vergrößern
Stephan Waßmuth mit Simon Schmidthöfer
Stephan Waßmuths gute Erfahrung: "Simon Schmidthöfer passt ins Team."Bild vergrößern
Porträt Stephan Waßmuth
Stephan Waßmuth, Sachgebietsleiter für Logistik und Außenanlagen an der Universität GießenBild vergrößern
Simon Schmidthöfer (links) und Stephan Waßmuth
Simon Schmidthöfer (links) und Stephan WaßmuthBild vergrößern
Simon Schmidthöfer mit Vorarbeiter Nils Schwantes
Simon Schmidthöfer (rechts) arbeitet gern mit seinem Vorarbeiter Nils Schwantes zusammen. Bild vergrößern
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Simon Schmidthöfer mit der Motorsäge
Hat den Motorsägenschein gemacht: Simon SchmidthöferBild vergrößern
Simon Schmidthöfer und Petra Emin
Schmidthöfer und Petra Emin: "Bei einem BiB muss vieles zusammenpassen."Bild vergrößern
Porträt Petra Emin
Petra Emin, Leiterin des Fachdienstes berufliche Integration bei der Lebenshilfe Gießen Bild vergrößern

Arbeitsplatz, wo alles stimmt

Das BiB ist ein Sprung mit Netz und doppeltem Boden. Schmidthöfer erprobt sich im regulären Arbeitsalltag, bleibt aber weiter Mitarbeiter der Werkstatt und ist darüber sozialversichert. Ein BiB kann in jede Richtung führen – wieder zurück in die Werkstatt oder auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Auch eine längerfristige Beschäftigung auf einem BiB ist möglich. Schmidthöfer fühlt sich wohl. "Jetzt hab‘ ich’s gepackt." Soll heißen, er hat den Arbeitsplatz gefunden, wo alles stimmt: die Arbeitsaufgaben, das Team, die richtige Balance zwischen Selbstständigkeit und Anleitung.

"Es muss vieles zusammenpassen", sagt Petra Emin, die Leiterin des Fachdienstes berufliche Integration bei der Lebenshilfe Gießen. "Der Arbeitgeber, der Werkstatt-Mitarbeiter und mein Team – wir sind ein Dreieck." Emin trifft sich mindestens einmal im Monat mit Schmidthöfer, um zu besprechen, was anliegt. Sie ist auch Ansprechpartnerin für die Kollegen in der Gärtnerei. Für die Unterstützung von Simon Schmidthöfer auf dem BiB, die Petra Emin für die Werkstatt leistet, trägt der Landeswohlfahrtsverband Hessen die Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Win-Win-Situation

Die Sozialpädagogin und ihr Team sind ständig auf der Suche, ob nach Praktika oder Betriebsintegrierten Beschäftigungsplätzen. Dabei beraten sie auch Arbeitgeber in puncto Förderung. Die Betriebe, sagt sie, müssten erkennen, welche Vorteile ihnen die Praktikums-Erprobungen oder BiB bringen. "Es muss für alle eine Win-Win-Situation sein."

Landkreis Gießen kooperiert mit Lebenshilfe

Der Kreistag des Landkreises Gießen hat – nach guten Erfahrungen an der Gießener Universität, in anderen Einrichtungen, Behörden und Betrieben der Umgebung – beschlossen, sich stärker bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu engagieren. Am 1. Januar 2023 startete der Kreis in Kooperation mit der Lebenshilfe Gießen ein auf zwei Jahre ausgelegtes Projekt. Ziel ist, ein Konzept für Betriebsintegrierte Beschäftigungsplätze (BiB), Budget für Arbeit und Budget für Ausbildung zu schaffen. In einem ersten Schritt sollen BiB-Praktikumsplätze angeboten werden. Dabei handelt es sich um einfache Bürotätigkeiten wie das Einscannen von Dokumenten und Hausmeisterarbeiten. Unterstützung erhält der Landkreis vom Fachdienst berufliche Integration der Lebenshilfe.