Ein wesentliches Anliegen des BTHG ist, die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus dem Bedürftigkeitsprinzip der Sozialhilfe herauszulösen und damit die Lebensverhältnisse von Menschen mit und ohne Behinderungen vergleichbarer zu gestalten. Deshalb werden die Fachleistungen der Eingliederungshilfe (also die Betreuung sowie die dafür erforderlichen Sachmittel) ab dem 01.01.2020 von den Kosten der Existenzsicherung (Wohnraum und Nebenkosten, Verpflegung, Bekleidung etc.) getrennt.
Bisher waren die Kosten für Unterkunft und Verpflegung Bestandteil der Vergütung der Wohnheime und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Diese Vergütungen müssen nun in ihre Bestandteile aufgeteilt werden, da dafür ab dem 01.01.2020 unterschiedliche gesetzliche Grundlagen gelten und unterschiedliche Leistungsträger zuständig sind. Die bislang für Bewohnerinnen und Bewohner von Wohnheimen gezahlten Barleistungen (Barbetrag, Bekleidungspauschale) entfallen zukünftig. Die Leistungsberechtigten und Leitungserbringer schließen einen WBVG-Vertrag.
Ja. Wer in der Werkstatt isst, muss dort das Essen bezahlen, weil auch die Kosten des Mittagessens zur Existenzsicherung gehören. Es besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf einen Mehrbedarfszuschlag zu stellen, um damit das Mittagessen in der Werkstatt bezahlen zu können.
Die Existenzsicherung ist von den behinderten Menschen selbst sicherzustellen, wenn sie über ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügen.
Wer kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen hat, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, hat – je nach persönlichen Voraussetzungen – entweder einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung nach dem SGB XII oder auf Grundsicherung nach dem SGB II. Hierfür sind die örtlichen Sozialhilfeträger bzw. die Jobcenter zuständig. Dafür gelten weiterhin die bereits jetzt gültigen Vorschriften zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Dafür muss ein Antrag gestellt werden.
Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung nach SGB XII ist es der örtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte vor Beginn der Eingliederungshilfe gewohnt hat.
Bei Grundsicherung nach SGB II ist es das Job-Center, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte derzeit wohnt. Für die Prüfung, inwieweit ein Wohngeldanspruch besteht, sind in Hessen die kreisfreien Städte oder die Landkreise zuständig, in denen die Leistungsberechtigten derzeit wohnen. Die Städte Bad Homburg v.d.H., Fulda, Hanau, Marburg, Rüsselsheim und Wetzlar haben eine eigene Wohngeldstelle.
Menschen mit Behinderungen, die in einer eigenen Wohnung leben, erhalten bereits heute einen monatlichen Regelsatz und Leistungen für Unterkunft und Heizung, soweit sie dies nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen zahlen können. Dies wird ab 2020 auch für Menschen mit Behinderungen in besonderen Wohnformen gelten. Der Regelsatz und die Leistung für Unterkunft und Heizung sind dann grundsätzlich an die leistungsberechtigte Person zu zahlen.
Eine Ausnahme gilt für Zahlungen an Vermieter. Diese können auf Antrag der Leistungsberechtigten oder wenn eine zweckentsprechende Verwendung nicht sichergestellt ist, als Direktzahlung vereinbart werden. Aus Sicht des LWV droht keine Einschränkung der Selbstbestimmung behinderter Menschen, wenn die Leistungserbringer eine Direktzahlung von Unterkunfts- und Heizkosten von allen Bewohnerinnen und Bewohnern einfordern und dies im WBVG-Vertrag so regeln.
Je nach Einzelfall kann es sein, dass auch aus dem Regelsatz Zahlungen an den Leistungserbringer geleistet werden. Das ist möglich, wenn Leistungen erbracht werden, die einen Teil des Lebensunterhalts decken. Zum Beispiel, wenn der Leistungserbringer sich um die Mahlzeiten kümmert.
Leistungsberechtigter und Leistungserbringer müssen das vereinbaren. Zur Vereinbarung gehört auch die Höhe der Zahlungen. Beide klären also, welche Existenzsicherungsbedarfe von wem abgedeckt werden sollen. Das entspricht zwar nicht dem Ziel der gesetzlichen Neuregelung. Es entscheidet aber der Leistungsberechtigte.
Mittlerweile haben die dafür zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe Regelungen ausgearbeitet, die im Rahmen von Einverständniserklärung durch den Leistungsberechtigten bzw. seines rechtlichen Betreuers solche Direktzahlungen ermöglichen.
Der LWV Hessen hat die Deutsche Rentenversicherung Land in Frankfurt/Main bzw. die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits informiert, dass in ca. 9.000 Einzelfällen zum 01.01.2020 der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die monatliche Rente zurückgenommen wird und ab diesem Zeitpunkt die Rente auf das Konto des Leistungsberechtigten überwiesen werden muss. Jeder Rentenbezieher bzw. sein rechtlicher Betreuer muss mittels eines Vordruckes die persönlichen Daten und die Bankverbindung, auf die die Rente ab Januar 2020 überwiesen werden soll, selbst dem Rentenversicherungsträger mitteilen.
Nach § 53 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind (also Rente, Krankengeld, Übergangsgeld) nur abgetreten werden, soweit sie den Pfändungsfreibetrag, der für Arbeitseinkommen gilt, übersteigen. Der Leistungsberechtigte kann aber auf freiwilliger Basis die Zahlung auf das Konto eines Bevollmächtigten oder eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen wünschen. Dadurch wird der Versicherungsträger berechtigt, aber nicht – wie bei der Übertragung – verpflichtet, an den Dritten zu zahlen.
Der LWV Hessen hat im September diesen Jahres gegenüber den Rentenversicherungsträgern und sukzessive auch gegenüber allen anderen zahlenden Stellen seine Erstattungsansprüche bzw. Überleitungen für die Zeit ab 01.01.2020 zurückgenommen. Darüber wurden gleichzeitig die Leistungsberechtigten bzw. deren rechtliche Betreuer in Kenntnis gesetzt.
Wenn die Zahlungsumstellung nicht rechtzeitig klappt, wird der LWV Hessen die noch bei ihm eingehenden Beträge an die Bankverbindung, die der Leistungsberechtigte angegeben hat, weiterleiten.
Die Aufgabe des Betreuers (mit entsprechendem Aufgabenkreis) wird darin bestehen, den Leistungsberechtigten bei der Einrichtung eines Girokontos sowie der Information aller Rentenversicherungsträger oder anderer Zahlstellen zu unterstützen bzw. zu vertreten. Ergänzend muss der LWV Hessen über die neue Bankverbindung informiert werden, um etwaige ab Januar 2020 hier noch eingehende Beträge weiterleiten zu können
Der Deutsche Bundestag hat ein SGB IX-SGB XII-Änderungsgesetz am 17.10.2019 in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus, darf aber als gesichert angenommen werden. Dieses Gesetz regelt unter anderem in § 140 Abs.2 SGB XII einen einmaligen Ausgleich für die Personen, die Ihre Rente erst zum Monatsende erhalten. Es wird sich dabei vielfach um die Rente handeln, die Ende Dezember 2019 gezahlt wird und noch beim LWV Hessen verbleibt. Daher müssen die örtlichen Träger der Sozialhilfe, in dem Fall für den Monat Januar, einen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt prüfen.