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Gedenktag 27. Januar

Eine jüdische Patientin, getötet in Hadamar


Rosel Weinstein mit ihren beiden Kindern, 1921

Rosel Weinstein mit ihren beiden Kindern, 1921 Foto: privat

27.01.2024

Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das Konzentration- und Vernichtungslager Auschwitz. Etwa 1,1 Millionen Menschen, davon über 90 Prozent Jüdinnen und Juden, wurden in Auschwitz ermordet. Heute gilt das KZ als das Symbol des Holocaust. Der 27. Januar ist als Jahrestag der Auschwitz-Befreiung seit 1996 offizieller Gedenktag in Deutschland, an dem an alle Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird.

Jüdische Menschen wurden aber nicht nur im Vernichtungslager Auschwitz getötet, sondern an vielen Orten in den von Nazi-Deutschland besetzten Ländern in Europa und in Deutschland selbst – unter anderem auch in der Tötungsanstalt Hadamar. Eine von ihnen war Rosel Weinstein. Das Schicksal der seelisch erkrankten Frau steht exemplarisch für das diesjährige Gedenken mit Fokus auf den jüdischen Opfern. Rosel Weinstein war eine von mehr als 300 jüdischen Patientinnen und Patienten, die im Frühjahr 1941 nach Hadamar deportiert und dort ermordet wurden.

Rosel Weinstein: eine Opfer-Biografie

Rosel Weinstein wurde am 4. Juli 1893 als Tochter der Familie Wolf in Schlüchtern bei Fulda geboren. 1912 heiratete sie Leopold Weinstein. Ein Jahr später kam der Sohn Erich zur Welt, 1921 wurde die Tochter Margrit geboren. Die Familie lebte in Eschwege. Zwischen 1917 und 1929 befand sich Rosel unter anderem wegen Panikattacken und Depressionen immer wieder kurzzeitig in ärztlicher Behandlung.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann sie sehr mit der Situation ihrer jüdischen Familie in Deutschland zu hadern. Sie berichtete ihrer Schwester von Demütigungen und Zurückweisungen, die sie sehr schmerzten. Im Laufe des Jahres 1937 führte diese zunehmende emotionale Belastung zu einem erneuten Zusammenbruch. Rosel Weinstein kam zunächst in einer Bonner Klinik unter und war ab dem folgenden Jahr dauerhaft in einer Anstalt in Krefeld bei Düsseldorf in Pflege. Zwar besserte sich ihr Zustand ihrer Schwester zufolge kurzzeitig, genauso verschlechterte er sich aber auch immer wieder.

Regelmäßig erhielt Rosel Briefe und Besuche von ihren Verwandten, doch bis Ende 1939 war ein Großteil ihrer Familie ausgewandert. Rosel konnte aufgrund ihrer Erkrankung nicht mitkommen. Über Briefe versuchte sie den Kontakt weiterhin aufrecht zu erhalten. Die Einsamkeit und insbesondere die Trennung von ihren Kindern scheinen sehr schmerzhaft für sie gewesen zu sein. So schrieb sie im Januar 1941 an ihre Schwester in der Schweiz: „Meine liebe Anna! […] schreibe doch mal an meine Kinder in Santiago de Chile, Süd-Amerika […] ich höre gar nichts mehr […]. […] Du darfst mir nicht böse sein, daß ich mich in meiner Verzweiflung an Dich wende aber ich habe ja keinen Menschen + Du kannst Dir wohl vorstellen, daß meine Gedanken immer mit der größten Liebe bei den Kindern sind. Wenn ich doch nur noch einmal die Kinder […] sehen könnte.“

Kurz nachdem sie diese Zeilen verfasst hatte, wurde Rosel von Krefeld in die Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg in Düsseldorf verlegt. Diese war ab Februar 1941 eine Sammelanstalt für jüdische Patientinnen und Patienten, welche bereits seit Frühjahr 1940 systematisch erfasst, in Anstalts-Sammellagern untergebracht und in Tötungsanstalten ermordet wurden.

Am 14. Februar, zwei Tage nach ihrer Ankunft in Grafenberg, wurde Rosel Weinstein mit 42 weiteren ausschließlich jüdischen Patientinnen und Patienten in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht und am selben Tag in der Gaskammer ermordet. Laut Sterbeurkunde starb sie angeblich am 3. April 1941 in der über 1.300 Kilometer entfernten polnischen Stadt Chełm.

Chełm war eine Stadt im Bezirk Lublin in Polen, das von den Nationalsozialisten besetzt war. Die dortige „Irrenanstalt Chełm“ wurde 1940 von SS-Einheiten geräumt und die polnischen Patientinnen und Patienten ermordet. Ab diesem Zeitpunkt existierte die „Irrenanstalt Chełm“ nur noch auf dem Papier und wurde von der Organisationszentrale der „Aktion T4“ in Berlin als Tarnadresse verwendet. Angehörige und Behörden sollten über den wirklichen Todesort getäuscht werden.


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